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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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»der Angriff kommt von außen.«
    Die Stimme der Wache ging in ein gurgelndes Geräusch über, als er mit durchtrennter Kehle starb und in die Menge der bereits begierig wartenden Gefangenen fiel. Doch seine Warnung kam zu spät, schon hoben sich ächzend die eisernen Gatter, hinter denen die aufgebrachten Schneetiger fauchend und brüllend hin und her rannten. Sie warteten nur darauf, ihre Klauen und Zähne in das Fleisch der Gefangenen zu schlagen und sich an ihnen satt zu fressen.
    »Hierher!«, brüllte Jakkard wild gestikulierend an Chromlion gewandt, »… es geht los. Wir müssen uns mit vereinten Kräften gegen die Schneetiger zur Wehr setzen. Alleine überstehen wir das nicht. Sie suchen sich zuerst die vereinzelt stehenden Gefangenen als Beute aus.«
    Der Fleischer brüllte sich die Seele aus dem Leib, während sich die Getreuen um ihn versammelten und er jedem von ihnen Befehle erteilte. Chromlion folgte instinktiv und hielt sich dicht an Jakkard. Für den König der Gefangenen war die Begegnung mit den ausgehungerten Bestien nicht das erste Mal. Er wusste, was sie erwartete. Kaum hatten sie sich gruppiert, sprangen die ersten Schneetiger durch die geöffneten Gatter und stürzten sich auf die Gefangenen, die sich nicht schnell genug von den Mauern wegbewegt hatten. Andere hatten sich zur Flucht gewandt, und sie waren die Nächsten, an denen die Schneetiger ihren Jagdtrieb austobten. Die Raubtiere der Eiswüste veranstalteten eine Fressorgie, die ihresgleichen suchte und das Vorstellungsvermögen des Lordmasters bei Weitem überstieg. Erlebte er die Bilder des Schreckens in jenem Moment nicht mit eigenen Augen, er hätte den Erzählungen eines Augenzeugen nicht geglaubt. Hungrig und übellaunig wüteten die Großkatzen unter den Gefangenen von Harrak. Sie rissen mit ihren Pranken Köpfe von Hälsen, bissen Gliedmaßen ab und schlitzten Bäuche auf. Wer immer ihren Pranken zu nahe kam oder sich unvorsichtig vorwagte, hatte sein Leben verspielt.
    »Faszinierende Geschöpfe, nicht wahr? Wenn sie ihren größten Hunger gestillt haben«, flüsterte Jakkard mit glänzenden Augen voller Ehrfurcht, »werden sie ruhiger und gebärden sich weniger aggressiv. Ihr Tötungstrieb wird dann spielerisch. Ich sehe durchaus Ähnlichkeiten mit mir selbst. Dieses Verhalten jedoch war immer so und ist unsere Chance, zu überleben. Eine andere gibt es nicht.«
    Chromlions Blick wanderte auf die das Lager umschließenden Mauern. Die Wachen kämpften verbissen gegen eine scheinbare Übermacht von schwarz gewandeten Gestalten, die sich wie Geister bewegten. Die Schwerthiebe der Wachen gingen ein ums andere Mal ins Leere. Der Kampf machte einen gespenstischen Eindruck auf Chromlion. Selbst offensichtliche Treffer blieben ohne Wirkung. Der Feind schien unbesiegbar.
    Während das Fressen innerhalb des Lagers und der Kampf auf den Mauern unvermindert weitertobten, konnte der Lordmaster eine Gestalt erkennen, die sich wagemutig von den Mauern in das Innere des Lagers abseilte. Seltsam daran war, dass die Konturen vor den Augen verschwammen und Chromlion Mühe hatte, den Eindringling im Auge zu behalten. Er bewegte sich schnell und geschickt, einem Bewahrer gleich. Kaum hatte die Gestalt den Boden berührt, sprang ein Schneetiger herbei, um sich die Beute einzuverleiben. Chromlion wollte dem Fremden eine Warnung zurufen, doch dafür war es bereits zu spät. Der Bewahrer traute seinen Augen kaum, als er sah, wie die Gestalt in einer einzigen schwungvollen Drehbewegung den angreifenden Schneetiger mit dem Schwert niederstreckte und das Tier auf der Stelle tötete.
    »Wer mag das sein und was will er?«, fragte Jakkard. »Einen Schneetiger mit einem einzigen Schwertstreich zu töten, gelingt den wenigsten.«
    Trotz der sich ihm bietenden Schreckensbilder wirkte die Gestalt unbeirrt und zielstrebig. Sie wusste offenbar sehr genau, nach wem sie Ausschau halten musste. Wenige Wimpernschläge später war sie fündig geworden. Sie tötete einen weiteren Schneetiger im Vorbeigehen, als wäre dieses furiose Raubtier nichts weiter als eine leichte Beute. In der einen Hand trug die Gestalt ein bluttriefendes Schwert und in der anderen einen großen Schlüsselbund mit aneinanderrasselnden eisernen Schlüsseln. Als die Gestalt näher heran war, warf sie Chromlion den Schlüsselbund zu.
    »Fang auf und mach dir die Ketten ab«, sagte die Gestalt in einem gelassenen Tonfall.
    Der Lordmaster war dermaßen verwirrt über die Erscheinung der Gestalt,

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