Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Gas Vadar ein Fauchen erklingen. Er heizte seinen Körper auf, um das Drachenfeuer gegen die Todsänger einsetzen zu können. Aber bevor er dazu kam, hörte er die sanfte und traurige Singstimme Nalkaars, die ihn zutiefst berührte. Haffak horchte auf, lauschte den überraschenden Klängen. Nie zuvor hatte sich ein Todsänger an einen Drachen gewagt und für diesen gesungen. Die Musik wich deutlich von dem sonst betörenden Gesang der Todsänger ab. Sie war klar und eindeutig. Weit schöner als alles, was Haffak je gehört hatte. Im Gegensatz zu den Drachenreitern wurde der schwarze Drache nicht von einer unerträglichen Welle der Trauer erfasst. Selbst überbordende Gefühle blieben bei ihm aus. Dennoch merkte er, dass er von der Schönheit vollkommen gefangen war und in eine Starre verfiel. Obwohl er das triumphierende Gesicht des Todsängers ob der Wirkung sah und diesen am liebsten sofort getötet hätte, konnte er sich nicht zur Wehr setzen. Haffak musste sich eine schreckliche Niederlage eingestehen. Die anderen Drachen waren tot. Er war der Letzte seiner Art.
Aus wachsamen Augen beobachtete er mit Entsetzen, wie Calicalar den Kopf gegen eine Felswand schlug. Wieder und wieder. Das Gesicht seines Freundes war an vielen Stellen aufgeplatzt und nass von frischem Blut. Solange der Todsänger das Lied für Haffak Gas Vadar fortsetzte, würde der Yasek nicht damit aufhören, sich selbst zu schaden. Der letzte überlebende Drache konnte es nicht mit ansehen und weinte. Bittere Tränen, die heiß und zischend auf den felsigen Grund der Stadt fielen und dort, wo sie auftrafen, tiefe Löcher in den Boden fraßen. Er spürte das Unheil kommen. Jeden Augenblick würde ihm die Seele gewaltsam entrissen und sein alter Freund getötet.
Das Krachen der Schädeldecke des Anführers der Drachenreiter drang Haffak durch Schuppenpanzerung und Knochen bis tief in sein Innerstes. Es schmerzte ihn fürchterlich, den Freund auf diese Weise sterben zu sehen. Calicalar erschlaffte und sackte in sich zusammen. Der große Yasek hatte sich am Ende durch den Einfluss des Todsängers selbst getötet. Im Augenblick des Todes entwich die gemeinsame Seele, die sich Nalkaar geschickt einfing und verschlang.
Sobald die Seele seinen Leib verlassen hatte, spürte Haffak Gas Vadar eine deutliche Veränderung in seinem Bewusstsein. Ein lange vergessenes Wesen trat in ihm zum Vorschein. Vielleicht hatte er es über all die Sonnenwenden seiner Existenz einfach verdrängt. Es war vorhanden gewesen und doch wieder nicht. Er hatte gedacht, die ungeheuerliche Kreatur in sich durch die Verbindung mit den Tartyk endgültig abgelegt zu haben. Doch plötzlich war sie, wie zu Urzeiten bevor die Drachen nach Ell gekommen waren, um ihren Frieden zu finden, wieder da, so als wäre sie niemals fort gewesen. Die Boshaftigkeit überfiel ihn und schlug seine Gedanken mit Dunkelheit. Er hatte einen neuen Herrn, der ihn nach Belieben beherrschen konnte und dem er bedingungslos gehorchen musste.
»Sapius«, flehte der Drache in einem letzten klaren Gedanken, »du bist meine einzige Hoffnung, komm und rette mich, damit ich sterben kann wie meine Gefährten.«
Der Todsänger hatte der bösen Kreatur rasch die geistigen Fesseln angelegt, von denen sich der Drache nicht aus eigener Kraft befreien konnte. Der entsetzte Schrei eines einst freien und nun gepeinigten und gefangenen Wesens war fürchterlich. Haffak war frustriert und zornig. Der Sinn stand ihm nach Zerstörung. Dächer, Felswände und Häuser stürzten ein und begruben manch ehemaligen Freund unter sich.
Durch den heftigen Schrei der Verzweiflung lösten sich die Seelen der Tartyk von den Körpern ihrer Besitzer und wurden von den Todsängern sogleich begierig aufgenommen. Nalkaar hatte erreicht, was er wollte. Die Tartyk folgten ihm als Todsänger, und der Drache, den er gegen dessen Willen vor dem Drachensterben bewahrt hatte, musste ihm als seelenloses Geschöpf folgen. Ihm stand eine Zukunft bevor, die er sich in seinen schrecklichsten Träumen nicht ausgemalt hatte.
Breitbeinig, mit stolzgeschwellter Brust und verschränkten Armen sah sich der Todsänger zufrieden lächelnd an, was er angerichtet hatte. Die einst prächtige Felsenstadt Gafassa lag zerstört zu seinen Füßen. Dardhrab hinkte angeschlagen auf Nalkaar zu und zollte diesem den Respekt des Triumphators.
Die Drachenreiter und ihre Flugdrachen waren ausgelöscht. Für alle Zeiten.
B ELAGERUNG
R enlasol begleitete den langen Marsch der
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