Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
verwandelten sich Quadalkars Kinder. Die Älteren unter ihnen alterten rasch und holten binnen weniger Sardas die Zeit ihres Lebens und des Alterns nach, für die der Fluch ihnen in der Dunkelheit und Kälte ihres Daseins Aufschub gewährt hatte. Die meisten von ihnen starben nur wenig später, ihr Fleisch verrottete an Ort und Stelle und zerfiel schließlich zu Staub. Der Wind trug ihre sterblichen Reste fort. Ein eigenartiges Schauspiel aus Befreiung und Tod spielte sich vor den Mauern der Ordenshäuser ab. Auf den Mauern feierten die Sonnenreiter das Ende der Belagerung, und vor dem Tor löste sich vor ihren Augen eine Armee von Bluttrinkern im Nichts auf. Lediglich diejenigen unter den vom Fluch Befreiten überlebten, deren Verwandlung noch nicht länger als ihre natürlichen Lebensspanne zurücklag. Doch bei allen Überlebenden blieb eine dunkle, schattenhafte Erinnerung an die Zeit zurück, in der sie eine Existenz in der Gefangenschaft des Fluchs und der Sehnsucht nach Wärme und Liebe und dem Heißhunger nach Blut verbracht hatten.
Beschämt sah Yilassa zu Boden, als Madhrab zu ihr trat. Er nahm ihr Kinn in die Hand und hob es behutsam an, um ihr in die Augen zu sehen. Der Fluch war von ihr abgefallen, das konnte er erkennen, und dennoch war sie nicht mehr von jener Lebensfreude erfüllt, die ihr einst die unvergleichliche Ausstrahlung verliehen hatte. Sie konnte dem Blick des Bewahrers kaum standhalten, aber er zwang sie ihn anzusehen.
»Es tut mir so leid«, sagte sie mit gebrochener Stimme, »ich habe versagt. Und ich wollte Euch töten und von Eurem Blut kosten. Einen Freund, zu dem ich stets aufblickte, der mein Leben so oft gerettet hat und von dem ich so viel gelernt habe. Ihr habt mir vertraut und ich habe Euch enttäuscht. Scham ist kein Ausdruck für das, was ich im Augenblick empfinde. Bitte verzeiht mir, Lordmaster Madhrab!«
»Es gibt nichts zu verzeihen«, sagte Madhrab. »Du hast getan, was ich dir auftrug. Es war meine Schuld. Ich hatte zu viel verlangt und hätte wissen müssen, dass Quadalkar nicht zu besiegen war. Niemand hätte das gekonnt. Die Entscheidung, dem Schrecken ein Ende zu setzen, musste von ihm selbst kommen.«
»Aber Ihr habt ihn geschlagen, Lordmaster«, erwiderte Yilassa, »Ihr alleine. Das ist es, was mich beschämt. Freunde und enge Vertraute wenden sich gegen Euch und trachten nach Eurem Leben. Und was macht Ihr? Ihr bleibt standhaft und tragt am Ende den Sieg davon. Und doch erntet Ihr keinen Ruhm für Eure Taten, wie es Euch gebühren sollte. Im Gegenteil, Ihr wurdet verraten. Wir verrieten Euch, indem wir versagten und uns Quadalkar zuwandten, statt Euch die Treue zu schwören. Ich habe das Leben nicht verdient. Es war so leicht, dem König der Bluttrinker zu folgen und sich von seiner Macht blenden zu lassen. Ich hätte mich wehren, Quadalkar widerstehen, und statt mich verwandeln zu lassen, in den Tod gehen sollen. Der Letztgänger Zachykaheira war ein echter Bewahrer. Er ging lieber zu den Schatten, als das Schicksal eines Bluttrinkers leichtfertig zu wählen.«
»Mach dir keine Vorwürfe. Du warst nicht du selbst, als du mich töten wolltest. Und wenn ich darüber nachdenke, war in deinen Worten durchaus etwas Wahres. Die Bewahrer sollten ihre Regeln überdenken. Einen besseren Master als dich könnte ich mir nicht vorstellen.«
»Ihr beschämt mich schon wieder, Lordmaster«, meinte Yilassa, auf deren immer noch blassen Wangen sich plötzlich ein Hauch von Rot zeigte.
»Nein, ich sage nur, was längst hätte geschehen sollen. Wirst du mit mir in das Haus des hohen Vaters kommen? Ich würde mich freuen und sicherer fühlen, dich an meiner Seite zu haben. Eine gute Schwerthand kann ich nach alledem bestimmt gebrauchen!«, sagte Madhrab.
»Aber … wir sind zu Hause, Herr«, meinte Yilassa irritiert, »wozu braucht Ihr da mein Schwert?«
»Das ist eine lange Geschichte, Yilassa«, antwortete Madhrab.
Der Bewahrer weihte Yilassa in die Ereignisse ein, die ihr auf ihrer Suche nach Quadalkar und der Zeit, die sie unter dem Fluch des Bluttrinkers verbracht hatte, entgangen waren. Als sie von der Folter, dem Mord an der heiligen Mutter und der Flucht mit Elischa hörte, war sie vor Entsetzen sprachlos und wurde zornig.
»Ihr könnt auf mich zählen, Lordmaster Madhrab«, sagte sie entschlossen, nachdem Madhrab geendet hatte.
»Gut, dann wollen wir in Ordnung bringen, was uns als falsch erscheint«, gab Madhrab das Zeichen zum Aufbruch. »Yilassa, ich bitte
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