Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Leibwächter, dass der Schein nicht trog. Sie verkörperten tatsächlich die Gestalt, nach der sie aussahen. Waffenstarrende, tödliche Krieger mit grimmiger Miene und keinerlei Skrupel. Sie fürchteten sich vor nichts und niemandem. Perfekt, um Rajuru zu beschützen. Nalkaar hatte die gefürchteten Leibwächter Grimmgours, Kroldaar und Tromzaar, kennengelernt. Doch im Vergleich zu Ayomaar und Onamaar hatten sie harmlos und tumb gewirkt. Schweigend brachten die Leibwächter Nalkaar in die Gemächer Rajurus.
Die Saijkalsanhexe stand mit dem Rücken zur Tür und grübelte über einem Schriftstück, als sie die Gemächer betraten. Sie drehte sich um und blickte Nalkaar in die Augen. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie einige Sonnenwenden gealtert war, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Das war nur wenige Horas zuvor gewesen. Offenbar hielt die Verjüngungskur nicht allzu lange vor, obwohl die Verwandlung in eine junge und äußerst attraktive Hexe durchaus beeindruckend war. Das musste Nalkaar anerkennend zugeben, obgleich er für derlei Reize kein Interesse hegte.
Ich werde mich wohl oder übel an den ungewohnten Anblick gewöhnen müsse , dachte Nalkaar, nachdem er sein Gegenüber und deren Veränderung eingehend betrachtet hatte.
»Es geht Euch besser. Das ist gut!«, begrüßte Rajuru den Todsänger.
»Danke. Meine Kräfte sind wieder hinlänglich hergestellt, sodass ich Euch für neue Taten zur Verfügung stehe, meine Gebieterin«, antwortete Nalkaar unterwürfig.
»Schön, dann werde ich Euch ins Bild setzen. Während Ihr … sagen wir … fort wart, haben sich die Ereignisse auf Ell überschlagen. Es gibt viel Neues zu berichten, das Euch bestimmt interessieren wird.«
»Ich brenne darauf, von den jüngsten Ereignissen zu erfahren.«
»Wohlan! Wie Ihr bereits wisst, hat der dunkle Hirte nach seinem Erwachen begonnen, die Hände nach Ell auszustrecken und seinen Einfluss Tag für Tag zu vergrößern. Mit der Macht seiner Magie hat er die Zeit der Dämmerung heraufbeschworen. Die magische der beiden Sonnen Krysons hat er in eine schwarze Sonne verwandelt. Jetzt ist sie die Sonne seiner Boshaftigkeit. Eine Ausgeburt der Dunkelheit, die das Tageslicht verschluckt, statt es zu verstärken und Leben zu ermöglichen. Anfangs war die Verdüsterung nur für geübte Augen zu erkennen. Der Wandel kam schleichend. Tag für Tag wurde es dunkler. Bis die Dämmerung das Licht des Tages verdrängt hatte. Inzwischen kann selbst jeder Blinde die verheerenden Auswirkungen erkennen und am eigenen Leib fühlen. Hier unten in Krawahta bemerken wir davon nichts. Noch nicht jedenfalls. An der Oberfläche allerdings herrschen Lichtverhältnisse, die uns vorerst entgegenkommen, später jedoch die natürliche Lebensgrundlage entziehen. Wir werden unsere Krieger, Chimären und Sklaven nicht mehr ernähren können. Die ewige Dämmerung wird Kryson und alles Leben in dieser Welt, wie wir es kennen, nachhaltig verändern, wenn sie nicht bald aufgehalten wird, bevor sie einen Schaden anrichtet, der nicht rückgängig gemacht werden kann.«
»Was soll das bedeuten? Stellt Ihr Euch in dieser Sache gegen Euren Herrn und Meister?«
»Keineswegs, Nalkaar. Ihr dürft mich nicht falsch verstehen. Ich liebe Saijrae. Bevor ich mich ihm mit Leib und Seele verschrieb, habe ich ihn bereits geliebt. Das wird sich niemals ändern. Aber er befindet sich auf dem falschen Weg. Er schmähte mich, weil ich in seinen Augen alt und hässlich geworden bin. Er verspottete mich, weil ich das Geheimnis ewiger Jugend und Schönheit nicht lüften konnte. Stattdessen hat er sich Kallahans verlogene kleine Hure zur Braut auserkoren. Kaum zu glauben, dass er nach fünftausend Sonnenwenden meiner treuesten Dienste und hingebungsvollen Liebe ein junges, unerfahrenes Mädchen meiner Herrlichkeit vorzieht. Das Schrecklichste daran ist, er kannte sie nicht einmal, als sie ihm während der Zeremonie des Erwachens von Kallahan vorgestellt wurde. Aber die Gier und die Wollust des wilden Mannes siegten über seinen Verstand. Der dunkle Hirte war nach all den Sonnenwenden der Entbehrung und des ewigen Schlafes hungrig. Wie ein kleiner Junge stürzt er sich selbst blind ins Verderben. Im Grunde ein unverzeihlicher Fehler, sich in Augenblicken der Schwäche nicht zu beherrschen und zurückhalten zu können. Obwohl er seine erste Gier sofort an dem Mädchen befriedigte und sie sich durch seine Berührung hörig machte, ist sein Verhalten nach wie vor vom
Weitere Kostenlose Bücher