Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
sollen und machte sich Vorwürfe, weil er ihn hatte ziehen lassen. Nun war es beinahe zu spät.
Ich muss in die Grube und ihn dort herausholen, das bin ich ihm zumindest schuldig, dachte Madhrab verdrießlich, wahrscheinlich ist dies der einzig gangbare Weg, die Schwierigkeiten zu beenden.
Er hatte ohnehin vorgehabt, in die Grube zu steigen und sich dem Schicksal zu stellen. Nun hatte ihm Boijakmar einen weiteren Grund geliefert und er durfte keine Zeit verlieren. Aber was würde ihn dort unten erwarten? Was, wenn es aus der Grube tatsächlich keinen Ausweg gab und er den Herrn der Grube nicht überwinden konnte? Madsick hatte ihn vor der Grube gewarnt. Eindringlich. Und da war noch etwas, was ihm der Junge nicht sagen konnte.
Der Lordmaster würde es selbst herausfinden müssen.
»Ich werde das Angebot annehmen, Vater«, sagte Madhrab schließlich, ohne den hohen Vater über seine wahren Motive der Entscheidung in Kenntnis zu setzen. »Ein letztes Mal will ich dir vertrauen und deinen Rat befolgen, bevor ich dich für deine Taten richten werde. Unter einer Bedingung …«
»Wie lautet die Bedingung?« Die Augen des Overlords hatten sich feindselig zu Schlitzen verengt und sein Tonfall klang plötzlich barsch.
»Kaptan Yilassa wird in Begleitung eines Jungen und Gwantharabs Zwillingen in das Haus des hohen Vaters kommen. Ich verlange, dass sie gut aufgenommen werden und ihnen kein Leid geschieht. Du wirst die Aufnahmeregel für die Bewahrer ändern und Yilassa in den Rang eines Masters erheben. Die Prüfungen hat sie längst abgelegt und bestanden. Weiterhin kümmerst du dich um Gwantharabs Zwillinge und nimmst sie im Orden auf. Madsick, dem Sohn des Foltermeisters Sick, gewährst du deinen persönlichen Schutz.«
»Du forderst zu viel, mein Sohn!«, antwortete der Overlord. »Ich soll die Regeln für dich ändern? Für einen verurteilten Verbrecher, der gegen die Ordensregeln verstoßen hat? Wie stellst du dir das vor? Ulljan persönlich schuf die Gesetze des Ordens. Wir bewahren sein Erbe und müssen sie respektieren und befolgen. Seit mehr als fünftausend Sonnenwenden schon. Eine Frau kann nicht in den inneren Orden aufgenommen und zum Bewahrer auserkoren werden.«
»Ändere diese eine Regel, Vater«, forderte Madhrab, »oder wir werden hier und jetzt mit dem Schwert nach einer Entscheidung suchen. Willst du Krieg? Dann sollst du ihn haben. Ich nehme Opfer auf mich, also kannst du es auch.«
»Ich werde darüber nachdenken und mich mit den übrigen Bewahrern beratschlagen. Mehr kann ich dir nicht versprechen«, versuchte Boijakmar einzulenken, der eine Katastrophe mit verheerenden Auswirkungen befürchtete.
»Dann warte ich an Ort und Stelle, bis die Bewahrer zu einer Entscheidung gekommen sind.«
»Du warst schon immer stur und hartnäckig«, ärgerte sich Boijakmar, »nun gut, ich werde mich großzügig zeigen und will dir gewähren, was du verlangst. Yilassa wird nach ihrer Rückkehr den Bewahrern als Master beitreten und wir werden ihr den Eid abnehmen. Um die Kinder des gefallenen Kaptans kümmern wir uns ebenfalls. Das Andenken an ihren Vater ist tadellos, obwohl er zu deinen engsten Freunden zählte. Ich gebe dir vor Zeugen das Wort des Bewahrers darauf.«
Einge Bewahrer zeigten sich überrascht, andere bekundeten spontan ihren Beifall, wohingegen eine dritte Gruppe offen ihrem Unmut über Boijakmars Entscheidung Luft machte.
»Auch wenn es aus deinem Munde nicht viel wert ist«, stichelte Madhrab, »nehme ich das Ehrenwort an. Macht Platz auf der Treppe, damit ich mich ein weiteres Mal in das Verlies des hohen Vaters begeben kann.«
Madhrab stieg in bewusst langsamen Schritten die Treppen empor, während die Bewahrer respektvoll zur Seite auswichen, damit er an ihnen vorbeisteigen konnte. Der Bewahrer blieb eine Stufe unter dem Overlord stehen und sah ihm in die Augen.
»Keine Waffen und keine Rüstung in der Grube«, sagte der Overlord, als er den Bewahrer von oben bis unten musterte. »Lege dein Schwert ab. Wir werden es für dich aufbewahren.«
»Ich danke dir für das gut gemeinte Angebot, dennoch wird Yilassa Solatar für mich tragen, solange ich in der Grube verweile!«
»Du zeigst dich stur wie eh und je. Aber ich muss dich warnen«, sagte Boijakmar, »Sick ist gewiss nicht gut auf dich zu sprechen. Sieh dich vor, sonst wirst du nicht einmal den Rand der Grube erreichen.«
»Sick? Der Foltermeister lebt?« Madhrab war wenig erfreut, diese Nachricht zu hören, und seine Augen
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