Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
atmete er tief ein und wieder aus. Doch er brauchte eine Weile, bis sich der Anfall gelegt und er sich wieder beruhigt hatte. Noch hatte er den Grund der Grube nicht erreicht.
Wie lange dauert der Abstieg noch?, ging es ihm durch den Kopf. Das ist doch nicht möglich.
Madhrab dachte, er verlöre jedes Gefühl für Raum und Zeit. Weder wusste er, ob es Tag oder Nacht war. Die Zeit der Dämmerung war schon schrecklich genug, aber immerhin war es im Freien möglich, die Tageszeiten deutlich zu unterscheiden. Hier unten jedoch war alles anders. Seine Blicke versanken im grauen, tristen Einerlei der Grube. Wann hatten sie begonnen, ihn auf der Plattform in die Tiefe zu lassen? Madhrab konnte sich nicht erinnern. Bilder entstanden vor seinem inneren Auge, die er nur zu gerne von sich gestoßen hätte. Er sah den in den Gängen des Verlieses den Körper des Foltermeisters verwesen, bis nur noch dessen Gebeine übrig waren. Niemand hatte sich um die Beseitigung des Leichnams gekümmert. Sie hatten Sick einfach liegen lassen.
Ein Ruck ging durch die Plattform und gab Madhrab einen schmerzhaften Stoß in den Rücken. Sie war stehen geblieben. Der Lordmaster sah sich um. Er hatte den Grund der Grube erreicht. Vorsichtig stand er auf und setzte einen Fuß von der Plattform auf den Boden. Die Festigkeit des Untergrunds überzeugte ihn, sodass er es wagen konnte, den zweiten Fuß nachzuziehen und von der Plattform herabzusteigen. Im Gegensatz zu den Wänden fühlte sich der steinerne Boden trocken an, war dafür aber glatt geschliffen und poliert worden.
Wer hat sich all die Arbeit gemacht? , fragte sich Madhrab verwundert.
Kaum hatte er die Plattform verlassen, setzte sie sich wieder in Bewegung und wurde nach oben gezogen. An den Ketten rasselnd entschwand sie rasch seinen Blicken, die allenfalls zehn Fuß in die Höhe reichten. Sich langsam um die eigene Achse drehend sah sich der Lordmaster weiter um. Acht in die Felswände geschlagene Öffnungen führten aus der Grube weg. Madhrab würde sich entscheiden müssen, welchen Weg er zuerst wählen wollte, um sich auf die Suche nach seinem Freund und den Sonnenreitern zu machen. Im Grunde war es ihm gleichgültig, alle Gänge glichen sich exakt in Form, Breite und Höhe. Er entschied sich für die geradeaus vor ihm liegende Öffnung und setzte sich in Bewegung. Der hinter der Öffnung liegende Gang kam ihm schmal und niedrig vor. Madhrab musste den Kopf einziehen, um nicht gegen die Decke zu stoßen. Langsam tastete er sich voran.
Jedenfalls wird niemand unbemerkt an mir vorbeiziehen, stellte Madhrab im Stillen fest, der die Enge überhaupt nicht mochte, sich aber zumindest einen einzigen Vorteil einreden musste, um nicht sofort den Verstand zu verlieren. Ist das der Wahnsinn der Grube, von dem alle gesprochen haben? Bedeutet das Schicksal am Ende, nur lange genug in diesen Gängen wie lebendig begraben verweilen zu müssen, um verrückt zu werden?
Madhrab hatte Mühe, sich zu beherrschen und keinem erneuten Panikanfall anheimzufallen. Engegefühle hin oder her, sie würden ihm nicht helfen, sich zurechtzufinden und Brairac herauszuholen. Madhrab dachte, der Weg durch den Gang führe ihn ausschließlich geradeaus, obwohl er beim Zurückblicken einmal dachte, er hätte eine Biegung wahrgenommen. Es dauerte lange, bis er aus dem Gang an einer Öffnung wieder hinaustrat und sich in einer runden Kammer befand, die sich nicht vom Grund der Grube unterschied und von der ebenfalls acht Öffnungen wegführten. War Madhrab im Kreis gelaufen? Der Gedanke beschlich ihn, dass er sich in einer Art Labyrinth unter dem Labyrinth des Verlieses befand, das mindestens genauso weitverzweigt sein musste, wie das Verlies selbst. Wieder entschied er sich für den gerade gegenüberliegenden Weg. Das sollte ihm doch die Möglichkeit geben, zumindest den Rückweg zum ursprünglichen Ausgangspunkt zu finden, zumal es schwierig genug war, sich in den grauen Schleiern der Grube zu orientieren. Seine Beine wurden vom langen Marsch durch den Gang müde. Madhrabs Schultern und Rücken schmerzten von der geduckten Haltung. Sich mitten im Gang niederlassend gönnte er sich eine kurze Rast. Er wunderte sich, dass er weder Hunger noch Durst litt. So lange konnte er also noch nicht durch die Gänge der Grube gewandert sein. Als der Lordmaster auf dem steinernen Boden saß, der ihm weder kalt noch warm vorkam, lauschte er aufmerksam in den vor ihm liegenden Gang hinein und stellte fest, dass es erstaunlich
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