Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
seiner langen Abwesenheit in der Grube. Fortan sollten sie ihn daran erinnern, wie viel Zeit er verloren hatte.
Auf dem Vorplatz vor dem Haus des hohen Vaters hatten Gwantharabs Zwillinge auf den Bewahrer gewartet. Hardrab und Foljatin grüßten den Lordmaster freundlich und für seinen Geschmack zu förmlich. Aber das hatten sie mit ihrem Vater gemein, der, obwohl er bis zu seinem gewaltsamen Tod ein sehr guter und vor allen Dingen treuer Freund gewesen war, stets großen Respekt gezeigt und Wert auf Disziplin und einen guten Umgang gelegt hatte. Die beiden Brüder waren ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Schon als sie noch Kinder waren, hatte er die Ähnlichkeit erkannt. Sie mussten ihn unweigerlich an Gwantharab erinnern, was ihm einerseits gefiel, andererseits aber schmerzliche Erinnerungen weckte. Auch daran würde er sich gewöhnen müssen. Der Bewahrer hatte Gwantharab ein Versprechen gegeben. Sollten sie sich auch nur als annähernd so loyal und als begabte Kämpfer wie ihr Vater erweisen, dann würden sie ihm eine große Unterstützung sein. Darüber war Madhrab sehr erfreut.
Die Zwillinge besorgten ihm aus den Ställen ein neues Streitross. Das Pferd reichte nicht an Gajachi oder Najak heran, aber es würde ihn sicher an sein Ziel bringen. Und das genügte dem Lordmaster für den Moment.
»Reiten wir«, sagte Madhrab, nachdem die Pferde gesattelt waren und sie den Proviant aufgeladen hatten.
»Wohin werdet Ihr uns führen, Herr«, fragte Foljatin nach dem Weg.
»Wir reiten an Tut-El-Baya vorbei gen Süden, immer entlang der Felsenküste in das Hoheitsgebiet der Fallwas. Dort werden wir uns die Burg des Fürsten genauer ansehen.«
»Die Felsenfestung Fürst Chromlions?« Hardrab horchte auf. »Er wird nicht erfreut sein, uns zu sehen. Damals schickte er Boijakmar eine Schriftrolle über seine Absichten, ließ sich danach aber nie wieder im Haus des hohen Vaters blicken. Wollt Ihr die Gefahr wirklich eingehen? Chromlion hat gute Schwert- und Axtkämpfer in seinen Reihen, die sich darauf verstehen, ihre Burg zu verteidigen.«
»Wenn es sein muss, nehmen wir die Burg im Handumdrehen ein und schleifen sie bis auf die Grundfeste«, erwiderte Madhrab. »Seid Ihr dabei?«
»Sehr wohl, Herr«, nickte Hardrab eifrig, der sich nicht vorstellen konnte, wie Madhrab das anstellen wollte.
»Natürlich, was könnte es Schöneres geben«, freute sich Foljatin.
»Ein Leben in Frieden und Liebe. Ein Leben, in welchem das Leben einen hohen Wert hat. Das ist das Ziel, wonach wir streben sollten«, tadelte Madhrab die beiden Kaptane der Sonnenreiter.
Hardrab und Foljatin sahen sich an, als wollten sie jeder zur gleichen Zeit sagen, der Lordmaster sei zu weich geworden oder hätte den Verstand in der Grube gelassen. Sie waren jung und brannten auf den Kampf, wollten sich endlich beweisen und Helden sein. Aber Madhrab sprach von Liebe und Frieden. Das waren Ziele, nach denen sie vielleicht in vielen Sonnenwenden streben wollten, nachdem sie auf zahlreich überstandene Abenteuer und gewonnene Schlachten zurückblicken konnten. Der Bewahrer war tatsächlich alt geworden.
Einige Bewahrer, Orna und eine ordentliche Zahl an Sonnenreitern schlossen sich Madhrab an, den Orden gemeinsam zu verlassen. Yilassa und die heilige Mutter erhoben bei der Verabschiedung der Krieger keine Einwände, sodass der Auszug aus dem Haus des hohen Vaters ohne großes Aufsehen verlief. Allerdings dachte Madhrab, lange nachdem sie die Häuser verlassen hatten, an den Ausdruck in Yilassas Augen. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Sie waren Freunde und doch meinte er eine Feindseligkeit in ihnen erkannt zu haben.
Eigenartig, dachte er, ich habe diesen Ausdruck schon einmal an ihr gesehen, als sie eine von Quadalkars Kindern war und mich vernichten wollte. Aber sie wurde doch von dem Einfluss des dunklen Mals geheilt, wie alle anderen auch, als der Bann gebrochen war. Sie hat sich von einem Moment auf den anderen verändert. Als ich aus der Grube stieg, war sie wie früher. Fröhlich und warmherzig, bei unserem Abschied jedoch …
Madhrab wurde in seinen Gedanken unterbrochen, als Foljatin von der Vorhut zurückkehrte und sein Pferd neben das des Lordmasters lenkte.
»Es ist nicht mehr weit, Lordmaster«, deutete Foljatin an und zeigte in die Richtung, aus der er gekommen war, »sollten wir die Nacht durchreiten, könnten wir morgen zur Tsairu vor den Mauern der Festung Fallwas stehen. Die Wachen werden uns allerdings sehen
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