Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
bald wird eine Entscheidung erzwungen werden. Sollte sich meine Theorie am Ende bewahrheiten, werde ich Euch beim Kampf gegen die Saijkalrae behilflich sein, soweit dies ein blinder, alter Saijkalsan vermag, der sich soeben von den Saijkalrae losgesagt hat und im Gegensatz zu Euch nicht auf die Macht aus dem Land der Tränen zurückgreifen kann. Aber mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Der Zyklus der Lesvaraq wird bald beginnen und mit ihm wird unweigerlich mein Ende verknüpft sein. Das ist der natürliche Lauf der Dinge und das Gesetz der Macht, die uns dieses Schicksal auferlegen. Ihr jedoch, Sapius, habt eine große Zeit vor Euch, wenn Ihr es denn richtig anstellt.«
»Aye, ich verstehe. Dann beschließen wir hier und jetzt unser Bündnis, Kallahan«, antwortete Sapius. »Ich bin froh, einen solch mächtigen Verbündeten zu haben, und sei es auch nur für kurze Dauer. Berührt den Stab des Farghlafat.«
Sapius hielt Kallahan den Stab aus dem Baum des Lebens entgegen. Der Saijkalsan tastete im Dunkeln und umfasste das Ende des Stabes mit beiden Händen, als er ihn erreicht hatte. Sofort begann das Holz zu vibrieren. Ein in gleichmäßigem Rhythmus pulsierendes Licht erhellte das Innere der Hütte. Das Leuchten war so grell, dass Sapius nicht direkt hinsehen konnte, ohne befürchten zu müssen, geblendet zu werden. Kallahan hingegen sah in das Licht, das seine getrübten Augen durchdrang und sein Innerstes ausfüllte.
Dies war der heilige Bund freier Magier, der niemals gebrochen werden konnte. Und … es war eine weitere Abkehr von den Saijkalrae, den diese als Frevel aufs Schwerste zu zerstören trachteten, wenn sie davon jemals erfuhren. Kallahan stöhnte plötzlich auf und ließ den Stab los, als hätte er sich daran verbrannt. Er schlug die Hände vors Gesicht, so als ob er seine Augen schützen wollte. Das Licht erlosch und Sapius zog den Stab zurück.
»Was habt Ihr getan?«, keuchte Kallahan, der offenbar starke Schmerzen litt. »Das Licht durchbrach die Dunkelheit meiner Seele und erleuchtete mein schwarzes Herz. Es war nicht zu ertragen. Habt Ihr vergessen, dass ich selbst der dunklen Seite angehöre? Es ist unglaublich!«, rief der Einsiedler vor Überraschung, während ein Auge zwischen seinen Fingern hervorblickte und sich neugierig von links nach rechts umsah. »Ich kann Euch sehen. Ihr habt mir mein Augenlicht zurückgegeben.«
»Das muss eine Nebenwirkung unseres Bündnisses sein. Mein Stab hat dies bewirkt.« Sapius verblüffte, was der Stab des Farghlafat vermochte. Er selbst hatte ihn jedenfalls nicht dazu gebracht, die Augen des Einsiedlers zu heilen.
Kallahan sprang von seinem Stuhl auf und umarmte Sapius spontan.
»Ihr seid so mächtig und habt nicht die leiseste Ahnung, was Ihr tatsächlich vermögt und welches Potenzial ihr mit Euch und Euren Gegenständen herumtragt«, sagte Kallahan. »Ich wäre gerne in Eurer Nähe und würde Euch auf Eurer Reise begleiten. Aber das geht nicht, es wäre zu gefährlich. Bedauerlicherweise könnt Ihr noch nicht einmal für diese Nacht hier in meiner Hütte bleiben, und ich muss Euch sofort wegschicken, sosehr ich es bedauere. Der dunkle Hirte könnte Euch über mich finden. Ihr solltet jetzt lieber gehen – beeilt Euch, bevor er Verdacht schöpft. Der Bund war geladen durch eine starke magische Energie, die ihm nicht entgangen sein kann. Er hat eine Verbindung zu allen Saijkalsan. Geht und begrüßt die Lesvaraq. Ich nehme an, Ihr wisst, was nur wenige wissen und wo Ihr sie finden könnt. Erzählt mir bitte nicht, wo sie sich befinden. Ich will es nicht wissen. Denn wenn ich es weiß, könnte der dunkle Hirte es ebenfalls erfahren. Wer weiß, vielleicht sucht er nach mir und foltert mich. Ich kenne zwar die Folter, weiß aber auch, wo meine Grenzen liegen. Irgendwann fällt jeder Gefolterte um und singt wie ein Vogel am Morgen, wenn es denn noch welche gäbe und er nicht zuvor zu Tode kam. Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich in meiner Hütte auf Euch warten.«
»Aye, das ist gut. Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft. Gebt auf Euch acht. Ich werde Eure Unterstützung brauchen.«
Die Magier verabschiedeten sich voneinander, und Sapius machte sich im Dunkel der Nacht auf den beschwerlichen Rückweg. Er wusste, dass er für den Aufstieg Magie einsetzen musste, und hoffte, dass er den Drachen unbeschadet würde erreichen können. Frohen Mutes schritt er voran. Er hatte mehr erreicht, als er sich von dem Treffen mit Kallahan erhofft hatte. Es war
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