Kryson 04 - Das verlorene Volk
nicht machen.«
Renlasol hatte kein gutes Gefühl bei der Zusammenkunft und sah sich als einen der schwächsten Kandidaten im Feld der sieben Streiter. Was hatte er im Vergleich zu den anderen zu bieten? Ein Lesvaraq, dessen Macht unbestritten groß war. Zwei Magier, zwei Naiki, der eine groß und stark, der andere eine gefährliche Bestie und dazu noch ein magiebegabter Felsgeborener mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, auf dessen Eintreffen sie alle händeringend warteten. Den Burnter konnte Renlasol nicht einschätzen, aber er hatte vernommen, dass die Felsgeborenen als nahezu unbesiegbar galten. Der Fürst wusste nicht, wie er dagegen bestehen sollte.
Während sie auf Vargnar warteten, lernten sie sich – soweit sie in der Lage waren, ihre gegenseitigen Vorbehalte zeitweise beiseitezuschieben – besser kennen und tauschten ihre jeweils vorhandenen Erkenntnisse über das Buch der Macht aus, ohne zu viel von sich preiszugeben oder in ihre Karten blicken zu lassen. Die misstrauische Stimmung blieb. Ihr Wissensstand war durchaus unterschiedlich stark ausgeprägt. Manche hatten zwar vom Buch der Macht gehört, sich jedoch zeit ihres Lebens nicht näher damit beschäftigt. Andere wiederum hattensehr viel über das Buch und Ulljan gelesen oder aus Erzählungen erfahren. Und sie hatten genügend Zeit über Sapius’ verwegenen Vorschlag nachzudenken, ihn bei seinem geplanten Vorstoß mitten in das Herz der Rachuren, in die Brutstätten, zu unterstützen.
»Der Sechste, geboren aus Fels und Erde, verbindet die Kraft der wilden Herde.«
Vargnar hatte sein Werk vollbracht. Die singenden Gräber von Gafassa waren verschlossen und – soweit er dies aus eigener Kraft vermochte – sicher versiegelt. Jedenfalls würden sich die Todsänger nicht erheben und dem Ruf ihres Herrn folgen können. Das war das Wichtigste. Die Gräber wurden fortan von einem Heer Golems bewacht, die nur Vargnars Wort folgten. Sie verharrten in einer Starre und waren angewiesen, bei der ersten Sichtung ungebetener Gäste aufzustehen und jeden Eindringling zu bekämpfen und wieder aus Gafassa zu vertreiben, bevor sich dieser auch nur an den Versuch wagen konnte, die Todsänger aus ihren Gräbern zu befreien.
Aber der Prinz hatte wertvolle Zeit verloren. Zeit, in der die übrigen Streiter auf ihn warteten und die ihnen womöglich bei der Suche nach dem Buch fehlen sollte. Er war sich nicht sicher, ob die Zeit für das Auffinden des Buches überhaupt eine Bedeutung hatte. Nach allem, was er über das Relikt gehört hatte, war der Besitzer des Buches in der Lage, über die Zeit zu gebieten. Eine unglaublich gefährliche und große Macht, wie Vargnar fand.
Der Prinz freute sich auf die ihm bevorstehenden Aufgaben, wenn er auch nicht wusste, was auf ihn zukommen würde. Aber er liebte das Unbekannte, das Abenteuer und die Abwechslung, die ihn stets aufs Neue herausforderten und sein Leben bereicherten. Er konnte es kaum erwarten, die sieben Streiter kennenzulernen. Zwar hatte er bereits die Bekanntschaft desMagiers Sapius vor geraumer Zeit gemacht, von den anderen jedoch besaß er nur vage Vorstellungen und Erwartungen, die vielleicht nicht der Wirklichkeit entsprechen mochten.
Wie nicht anders zu erwarten hatte er den riskanten Weg über das Südgebirge eingeschlagen, der ihn über schneebedeckte Gipfel und durch tiefe Täler bis zur Hochebene von Tartyk führte. Er brauchte keine Rast und hatte keine Mühe, die Hochebene in wenigen Tagen zu durchqueren, bis er sich an deren Ende jauchzend in den Abgrund stürzte.
Die Rachuren stellten für den Prinzen in seinen Augen keine große Gefahr dar, sodass er sich beim Durchschreiten ihres Hoheitsgebietes weder vorsichtig verhielt noch hin und wieder versteckte, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Der Prinz wusste wohl, dass Goncha ihn dafür getadelt und ermahnend darauf hingewiesen hätte, dass die Rachuren seiner Ansicht nach Chimären züchteten, die einen Felsgeborenen mit Leichtigkeit zum Nachtisch verspeisen könnten. Und Vargnar hätte seinen Felsenfreund dafür ausgelacht und die Bedenken beiseitegeschoben, obwohl er es aus eigener Erfahrung hätte besser wissen müssen. Die Drachenchimären waren Plagen und hatten ihn während des Angriffs auf ein Fischerdorf der Klan an den Rand seiner Fähigkeiten und Standhaftigkeit gebracht. Zum ersten Mal hatte er ernsthaft am Mythos der Unbesiegbarkeit seines Volkes gezweifelt. Es hatte nicht viel gefehlt und das Drachenfeuer hätte ihn getötet.
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