Kryson 05 - Das Buch der Macht
Grund und bestand aus lebenden, sich bewegenden Schlingpflanzen, zwischen denen sich hoch wachsendes Seegras in der leichten Strömung des Wassers bewegte. Der dunkleHirte suchte nach Versteckmöglichkeiten. Er hatte nicht vor, die Hütte noch einmal zu verlassen, solange dort draußen solche Raubfische lauerten. Die Hexe hatte sich aus Ästen Kisten und Regale gebaut, die schief und krumm an den Wänden ihrer Behausung lehnten. Ein Gegenstand in einem der Regale erregte Saijraes Aufmerksamkeit. Es handelte sich um eine Kugel, die ihn von ihrer Struktur an eine Qualle erinnerte. Sie bestand aus einer gallertartigen, durchscheinend farblosen Masse, in deren Mitte sich ein fester, blauer Kern befand. Der dunkle Hirte schwamm auf das Regal und stupste die Kugel mit seinem Fischmaul an. Kaum hatte er den Gegenstand berührt, begann dieser zu leuchten und sich auszudehnen. In schneller Abfolge hintereinander zeigte die Kugel ihm Bilder von Landschaften, die er nie zuvor erblickt hatte. Wieder berührte er die Kugel und das Bild blieb plötzlich stehen, sodass er sich die Landschaft darauf näher ansehen konnte. Es waren bewegte Bilder.
Der dunkle Hirte versank mit seinen Gedanken in dem Bild und fühlte sich, als würde er sich selbst darin befinden und könnte sich in der Gegend bewegen und uneingeschränkt umsehen. Aus Versehen kam er erneut an die Kugel. Er wurde aus dem Bild herausgezogen und befand sich wieder auf dem Regal im Hexenhaus. Vor ihm lag die Kugel in ihrem ursprünglichen Zustand, als wäre nichts geschehen. Saijrae war fasziniert. Die Kugel reagierte auf seine Berührungen. Mit ihrer Hilfe würde er in der Lage sein, Fee zu erkunden. Er war sich sicher, dass die Bilder ihm unbekannte Gegenden des magischen Kontinents zeigten. Das war seine Gelegenheit. Er durfte sich allerdings nicht von der Hexe erwischen lassen. Eingesperrt in einem Käfig wäre er nicht in der Lage, sich mit der Kugel näher zu beschäftigen. Vorerst hatte er genug gesehen. Entgegen seiner ursprünglichen Absicht und trotz der ihm im See drohenden Gefahr zog er es vor, die Behausungder Hexe zu verlassen und sich ein Versteck in der Nähe zu suchen. Von dort aus würde er beobachten können, wann die Hexe ihre Hütte verließ, um sodann schnell und unbemerkt durch den Eingang zu schlüpfen und seine Erkundung fortzusetzen. Sein Fischleben entwickelte sich doch spannender, als er gedacht hatte. Aber er musste sich vorsehen. Würden ihn die Raubfische oder die Hexe erwischen, wäre es auf die eine oder die andere Weise schnell vorbei. Nachdem er den Grund des Sees abgesucht hatte, war er schließlich fündig geworden. In einer schmalen Höhle, verborgen zwischen Kieselsteinen und Schlingpflanzen, in der er gerade genügend Platz fand, um sich rückwärts hineinzuzwängen, konnte er den Eingang der Hexenbehausung aus einiger Entfernung beobachten. Dort wähnte er sich sicher genug.
*
Der weiße Schäfer nahm die Nachricht von der Gefangenschaft seines Bruders eher amüsiert und gelassen auf, obwohl er sich insgeheim doch Sorgen um das Wohlergehen Saijraes machte.
»Das geschieht ihm ganz recht«, rief er den Leibwächtern zu, »lassen wir ihn für eine Weile in der Obhut der Hexe schmoren. Das Fischleben tut ihm gewiss gut und vielleicht zieht er endlich seine Lehren daraus. Ich komme nach Fee, wenn die Zeit reif ist. Bleibt in der Nähe des Sees und achtet nur darauf, dass ihm kein Leid zugefügt wird.«
»Das wird kaum möglich sein, Herr und Meister«, antwortete Hofna, »die Hexe Ilora wird es nicht zulassen, dass wir in ihrem See baden und den dunklen Hirten beschützen.«
»Das kann ich mir denken«, sagte Saijkal. »Ihr wartet am Ufer, und solltet ihr etwas Verdächtiges oder eine Veränderung beobachten, dann werdet ihr mich umgehend benachrichtigen.Bis dahin jedoch unternehmen wir nichts. Soll er seine Erfahrungen machen. Das hat er sich gewünscht.«
»Ich glaube nicht, dass Saijrae als Fisch enden wollte, Herr«, gab Haisan zu bedenken.
»Ich stimme euch zu«, antwortete der weiße Schäfer, »aber ich bleibe dabei. Die Erfahrung, ohne seine Macht und die Magie auskommen zu müssen, kann ihm nicht schaden. Ihr habt mir berichtet, dass er lebt und durch den Angriff der Hexe unverletzt blieb. Außerdem wollte sie ihm nicht schaden, nicht wahr?«
»Das stimmt, Meister«, sagte Haisan, »aber sie sprach auch von dem Buch der Macht und davon, dass Ihr Euch mit eurem Bruder um die Geschicke Ells kümmern und bald handeln
Weitere Kostenlose Bücher