Kryson 05 - Das Buch der Macht
stumm wie all die anderen Fische im See.
Seine Hoffnung, er könnte von Ilora etwas über Fee und das Gleichgewicht erfahren, zerschlug sich schon bald. Die Hexe schien sich nicht für ihn zu interessieren, sprach ihn nicht an und mied seine Gesellschaft, wie ihn die anderen Fische mieden. Als er in ihre Hütte schwamm, um sich dort umzusehen, kam sie wie ein Blitz auf ihn zugerast und verscheuchte ihn.
»Verschwinde aus meinem Heim und such dir einen eigenen Platz, wo du überleben kannst«, hatte sie ihm zugerufen. »Lass dich nicht wieder hier blicken, sonst sperre ich dich in einen winzig kleinen Käfig.«
Eine solche Gefangenschaft wollte der dunkle Hirte keinesfalls riskieren. Es war schlimm genug, dass er in diesem See festgehalten wurde. Wenigstens durfte er sich im Wasser frei bewegen.
Als er sich eines Tages wieder versteckt im Seegras zwischeneinigen längst abgestorbenen Wurzeln und Ästen auf die Lauer nach Beute gelegt hatte, bekam er einen gewaltigen Schrecken. Zuerst hatte er nur einen Schatten wahrgenommen, der über ihn hinweggeschwommen war. Aber der Schatten drehte um und näherte sich seinem Versteck. Der dunkle Hirte starrte gebannt nach oben und presste sich, so gut er konnte, in das Seegras. Dicht über ihm im Wasser schwebte ein großer Fisch, den er noch nie gesehen hatte. Saijrae konnte die Strömung des Wassers spüren, als der Fisch dicht über ihm hinwegzog. Der untere Teil des Fischmauls stand ein Stück vor und war mit zahlreichen messerscharfen Zähnen bestückt. Aus seinem oberen Kiefer ragten mehrere lange Fangzähne hervor, die denen eines Bluttrinkers an Größe nicht nachstanden. Auf seinem Rücken saß eine dreieckige, gezackte Flosse. Der Fisch besaß rote Augen, ansonsten war er eher unscheinbar, silbergrau gestreift. Über seinen Augen befanden sich links wie rechts Fühler, an deren Enden sich hell leuchtende Kugeln abhoben, die die Umgebung in ein diffuses Licht tauchten.
»Bei den Kojos«, fürchtete sich der dunkle Hirte, »der Fisch wird mich entdecken und fressen.«
Saijrae hatte keinen Zweifel daran, dass dieser Fisch ein Räuber war, der sich auf Futtersuche befand. Entdeckte er ihn in seinem Versteck, wäre es aus mit dem dunklen Hirten.
Vorsichtig duckte sich Saijrae noch tiefer und versuchte sich mit sehr langsamen Bewegungen in den schlammigen Untergrund einzugraben, als er plötzlich vor sich einen weiteren Fisch entdeckte, der genauso aussah wie das Monster über ihm und den Grund nach Beute absuchte. Saijrae erstarrte.
Ihm war klar, dass er sich ruhig verhalten musste und sein Versteck keinesfalls verlassen durfte. Auf der Flucht wäre er verloren gewesen. Die Fische hatten kräftige Flossen, waren stromlinienförmig gebaut und gewiss schnelle Schwimmer. Ein panischer Blick nach rechts und dann nach links ließenihn beinahe verzweifeln. Zahlreiche weitere Fische dieser Art tummelten sich in der Nähe und sie waren alle auf Nahrungssuche. Der dunkle Hirte war umzingelt von einem Schwarm getigerter Raubfische. Das langweilige, beschauliche Leben im See war trügerisch. In diesem See lauerten Gefahren auf ihn, die er sich nicht vorgestellt hatte. Fressen und gefressen werden.
»Hätte mich die Hexe doch bloß in ihren Käfig gesperrt«, wünschte sich der dunkle Hirte insgeheim, »dort wäre ich wenigstens sicher!«
Eine weitere Bewegung in der Umgebung ließ Saijrae zusammenzucken. Aufgeschreckt drehte sich der Fischschwarm blitzschnell um und stürzte sich mit kräftigen Flossenbewegungen in die Richtung, aus der Saijrae die Bewegung wahrgenommen hatte. Sie wirbelten Schlamm vom Grund auf.
Saijrae traute seinen Fischaugen kaum, als er sah, wie die Räuber über einen harmlosen Fischschwarm aus silbrig schimmernden Fischen herfielen und diesen innerhalb weniger Augenblicke in Fetzen rissen. Die Raubfische ließen nichts außer den abgenagten Skeletten und einigen Gräten übrig.
Der dunkle Hirte hatte Glück im Unglück. Durch den anderen Fischschwarm abgelenkt hatten sich die Räuber rasch von ihm entfernt und waren danach weitergeschwommen.
Saijrae nutzte die Gelegenheit und floh mit rasendem Herzen in die Tiefe des Sees. Es war ihm gleichgültig, was die Hexe mit ihm anstellte. Nichts konnte für ihn schlimmer sein, als von diesen Fischen gefressen zu werden.
Saijrae schwamm zum Eingang des Hexenhauses und lugte vorsichtig in das Innere. Die Hexe war nicht da und so konnte er sich in aller Ruhe in ihrer Hütte umsehen. Ihr Lager wuchs aus dem
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