Kryson 05 - Das Buch der Macht
zu den übrigen Streitern zurückgebracht. Er verlor gegenüber den Gefährten kein Wort über den Verlauf seiner Prüfung.
»Die Prophezeiung ist also wahr«, dachte Sapius bei sich, als er den Felsenprinzen mit leeren Händen sah, »bleibt nur noch Renlasol.«
Kaum war Vargnar zurück, bat er Sapius und Baijosto, ihm bei der Suche nach Rodso behilflich zu sein. Die Gefährten stimmten zu, das lenkte sie von der schrecklichen Umgebung und der Prüfung ab. Der Felsenprinz würde seinem pelzigen Echsenfreund viel zu sagen haben. Er wusste wohl, mit einer einfachen Entschuldigung wäre es in diesem Fall nicht getan. Seine Zurückweisung war schwerwiegend. Vargnar würde Rodso beweisen müssen, dass er ihn brauchte und unbedingt an seiner Seite haben wollte. Und er würde ihm versprechen müssen, dass er ihn akzeptierte und, solange Rodso lebte, nie wieder die Gesellschaft eines anderen Felsenfreundes der seinen vorziehen würde.
Während Sapius, Vargnar und Baijosto die Pelzechse suchten, wurde Renlasol als siebenter und letzter Streiter von Tarratar geprüft.
»Was würdet Ihr tun, wenn Ihr die Vergangenheit Krysons und damit auch Eure eigene neu gestalten dürftet?«, wollte Tarratar von Renlasol wissen.
»Nichts«, antwortete der Fürst. »Soll das ein Spiel sein? Ich halte nichts davon, das wäre mir zu gefährlich.«
»Das ist Eure Prüfung«, meinte Tarratar, »Ihr müsst Euch entscheiden, was Ihr wollt.«
»Ihr wollt es wirklich wissen?«, vergewisserte sich Renlasol bei dem Narren.
»O ja, das will ich oder vielmehr: Das Buch will es«, sagte Tarratar.
»Was würde geschehen, wenn ich mir wünschte, das Buch der Macht wäre niemals geschrieben worden?«, wollte Renlasol wissen, obwohl er sich insgeheim wünschte, das Buch zu erhalten.
»Ein geradezu ketzerischer Gedanke«, zeigte sich Tarratar von der Antwort des Fürsten überrascht, »und eine große Herausforderungfür das Buch. Ein Paradoxon, ein Widerspruch in sich selbst. Das Buch der Macht müsste sich auslöschen und so tun, als hätte es niemals existiert. Ich weiß nicht, ob das möglich ist. Heikel, sehr heikel.«
Tarratar rieb sich nachdenklich mit den stummeligen Fingern über den Bart. Renlasol hatte ihn und das Buch herausgefordert. Damit hatte der Narr nicht gerechnet. Für diesen Vorschlag wusste er keine Lösung. Das war Tarratar noch nie zuvor passiert.
»Hoi, hoi, hoi, soll ich es wirklich wagen?«, brummte der Narr mehr zu sich selbst als zu Renlasol. »Was Ihr verlangt, ist gefährlich. Das Buch könnte durch Euren Wunsch vernichtet werden. Ich muss erst die anderen Wächter fragen und mit ihnen beraten, was wir mit Eurer Prüfung anfangen. Das will ich nicht alleine entscheiden. Ihr wartet hier, bis ich mit dem Buch zurück bin.«
Der Narr klappte das Buch zu, klemmte es sich unter den Arm und gesellte sich mit sorgenvoller Miene zu den anderen Wächtern.
Die Wächter des Buches diskutierten lange und heftig, ob Tarratar die entscheidenden Zeilen in das Buch der Macht schreiben sollte oder nicht. Sie waren sich nicht einig. Was würde geschehen, wenn er dies täte? Gefährdeten die Wächter ihre eigene Existenz und darüber hinaus die des Gleichgewichts?
»Es ist nur eine Prüfung«, meinte Tarratar schließlich nachdenklich, »unter anderen Bedingungen könnte dieses Ansinnen fatale Folgen haben. Aber das Buch fordert uns Wächter dazu auf, die Prüfungen zu begleiten und alles Notwendige zu veranlassen, den richtigen Streiter aus der Gruppe herauszufinden. Wir sollten das Risiko eingehen. Es wird sich schon zu helfen wissen und sich nicht selbst vernichten.«
»Und wenn doch?«, fragte Daleima.
»Dann hat es das Buch der Macht niemals gegeben«, stellte Tarratar nüchtern fest.
»Und wir hätten Tausende von Sonnenwenden damit verbracht, über etwas zu wachen, was nicht existiert«, gab Daleima zu bedenken.
»Eben nicht«, antwortete Tarratar, »ohne das Buch hätte es auch keine Wacht gegeben. Vielleicht hätten wir eine andere Aufgabe bekommen, aber möglicherweise auch nicht. Ich glaube allerdings nicht, dass wir dem Müßiggang anheimgefallen wären.«
»Oder unsere Existenz wird mit der Vernichtung des Buches ebenfalls ausgelöscht«, befürchtete Daleima.
»Wer weiß?«, seufzte Tarratar. »Das können wir nicht ausschließen. Aber was kümmert es uns dann noch? Sollte es so kommen, wie du befürchtest, werden wir das nicht wissen. Wir verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen, als wären wir nie hier
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