Kryson 05 - Das Buch der Macht
sich Nalkaar persönlich gekümmert.
Das Flötenspiel Madsicks riss ihn aus seinen Gedanken.
»Der Mann ist wirklich virtuos«, dachte Nalkaar, »ich habe schon viele Flötenspieler gehört. Hirten, Gaukler und Musiker, aber niemand beherrscht dieses Instrument wie Madsick.«
Manchmal ließ sich Madsick dazu überreden, die Krieger mit seiner Musik zu unterhalten. Das war gut für die Stimmung und sorgte für Ruhe unter den Truppen. Solange sie ihm zuhörten, prügelten sie sich nicht. Madsick spielte lange, sparte aber die Stücke aus, mit denen er die Schatten rufen konnte oder die er gemeinsam mit Nalkaar komponiert hatte, um die Seelen der Lebenden hervorzulocken.
Nalkaar unterbrach das Spiel Madsicks, was ihm böse Blicke und einige unflätige Worte der Krieger einbrachte. Er nahm den Flötenspieler zur Seite und ging mit ihm gemeinsam zu einer Gruppe von Todsängern, die er sich für seinen engerenVertrautenkreis ausgesucht hatte. Darunter befanden sich auch Fürst Otevour und dessen Gemahlin.
»Ich fürchte, wir haben die Drachenchimären verloren«, begann Nalkaar das Gespräch, »Ihr habt die Luftschiffe gesehen. Sie haben uns entdeckt, dessen bin ich mir sicher. Wir können nicht mehr lange warten. Wir müssen mit dem Angriff auf die Trutzburg zu Fallwas beginnen.«
»Jaaa, daaas sollteeen wiiir sooofooort«, antwortete Fürst Otevour, dessen Stimme einen rauchigen Hauch hatte, »iiich haaabeee Huuungeeer. Miiich düüürsteeet naaach Seeeleeen.«
»Ihr sollt Euer Futter bekommen, Fürst«, sagte Nalkaar.
Der Fürst hatte sich sehr verändert, seit er sich in einen Todsänger verwandelt hatte. Seine Stimme jedoch hatte etwas Besonderes, eine überaus raue, aber traurige Note, die Nalkaar bislang für seine Kompositionen gefehlt hatte. Die Fürstin hingegen hatte einen glockenreinen Sopran. Das war wunderbar.
»Können wir einen Angriff ohne die Rachurendrachen wagen?«, fragte Madsick.
»Das müssen wir«, antwortete Nalkaar, »aber wir werden unsere neueste Komposition vortragen. Ihr werdet den Gesang mit der Flöte begleiten, Madsick.«
»Aber wir haben die Komposition noch nie vollständig und zusammen mit allen Stimmen geübt«, gab Madsick zu bedenken.
»Ich weiß, aber jeder kennt seinen Part und den Einsatz«, meinte Nalkaar, »was haben wir zu verlieren? Wir wissen, dass unser Gesang wirkt. Die Musik ist gut. Sollte sie nicht ankommen, werden wir auf Altbewährtes zurückgreifen.«
»Wiiir siiind siiicheeer«, sagte Fürst Otevour, »jeeedeeer Tooon siiitzt.«
»Dann ist es gut«, freute sich Nalkaar, »wir sind uns also einig. Der Angriff startet mit unserem Gesang.«
»Jaaa«, nickte Otevour.
»Natürlich«, bestätigte Madsick, »lasst es uns versuchen.«
Die anderen Todsänger tuschelten aufgeregt. Nalkaar wusste, was sie umtrieb. Sie waren gierig und konnten es kaum erwarten, ihren Hunger nach Seelen an den Gegnern zu stillen. Ihm ging es an manchen Tagen nicht anders. Aber er war besser in der Lage, seinen Hunger zu unterdrücken.
Jetzt musste er nur noch Grimmgour finden und ihn auf die kommende Schlacht einstimmen. Grimmgour führte die Chimärenkrieger an. Es war wichtig, dass sich der Rachurengeneral an den Plan hielt und mit seinen Kriegern wartete, bis sie die Komposition zu Ende vorgetragen hatten. Es war nicht einfach, den Rachurengeneral zu überzeugen. Grimmgour stand in enger gedanklicher Verbindung mit seiner Mutter und sein Temperament war schwer zu zügeln. Meist hörte er nicht auf den Todsänger, was Nalkaar immer häufiger dazu veranlasste, ihn nicht in seine Pläne einzuweihen. Aber vor dem Angriff auf die Burg ging es nicht anders.
»Wir wären ohne Grimmgour besser dran«, dachte Nalkaar, »der General könnte alles verderben. Eines Tages, eines wunderschönen Tages wird er sein Leben auf dem Schlachtfeld lassen und ich werde Rajuru erklären, dass er nicht auf meinen Rat gehört hat. Das wird sie gewiss verstehen, auch wenn sie mich für seinen Tod verantwortlich machen wird.«
Nalkaar traf den Rachurengeneral laut schnarchend an. Die ständige Müdigkeit Grimmgours war ein Rätsel für den Todsänger, obwohl sie durchaus ihre angenehmen Seiten hatte. Der Schlafdrang musste mit Rajurus krankhafter Seelensucht zusammenhängen, vermutete der Todsänger. In ihrem Wahn nach Jugend und Schönheit vergaß sie, dass jede weitere Seele, die sie übernahm, an ihren Kräften zehrte. Sie war keine Todsängerin und hatte daher Schwierigkeiten, die Seelen zu
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