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Kubu und der Tote in der Wueste

Kubu und der Tote in der Wueste

Titel: Kubu und der Tote in der Wueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stanley
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Sie von mir, Alter Mann?«, flüsterte Bongani auf Setswana.
    Der Medizinmann schüttelte den Kopf. Bongani wiederholte seine Frage, diesmal jedoch mit der korrekten, höflichen Anrede. Noch immer antwortete der Medizinmann nicht. Plötzlich nahm er den Lederbeutel in die rechte Hand und ergriff Bonganis Rechte, bevor dieser sie wegziehen konnte. Die Hand des Alten Manns fühlte sich trocken und ledrig an, ganz ähnlich wie der kratzige Löwenlederbeutel, dener jetzt in Bonganis Handfläche presste. Endlich ergriff der Alte Mann das Wort. Diesmal brauchte Bongani Peter Tshudukus Übersetzung nicht, denn der Medizinmann sprach verständliches Setswana.
    » Diese Hand gehört der Wüste. Erst hat die Hyäne daran herumgekaut. Splitter und Stücke sind hinuntergefallen, und der Schakal hat einige davon verschlungen. Das Blut lief in den Sand, und die Ameise fraß es. Andere kleine Tiere haben die kleinen Stücke bekommen. Die Spinne fraß einige dieser kleinen Insekten. Zurück blieben saubere, weiße kleine Teile, die der Wind begraben hat. Die Wüste hat alles – alles, außer diesem hier. Ich sehe diese Dinge.« Bongani starrte die Hand des Alten Mannes an. Sie fühlte sich an wie trockener Knochen, von der Sonne erwärmt.
    Dann griff der Alte Mann mit der linken Hand über den Tisch und erfasste Bonganis Linke. Ihre Arme überkreuzten sich. » Diese Hand hat die Wüste nie gehabt. Sie ist an einem anderen Ort. Sie wartet.« Und Bongani fühlte die Hand, plötzlich kalt wie der Tod. Kälter noch. Als hätte der Medizinmann etwas Gefrorenes getragen. Die Kälte breitete sich in Bongani aus. Mit einem leisen Aufschrei riss er seine Hände los und sprang auf. Der Turm mit den unkorrigierten Testaten stürzte zu Boden.
    Der Alte Mann nickte, hob seinen Koffer auf und packte den Beutel wieder weg. Im Aufstehen sagte er: »Sie wartet. Denk dran. Sie wartet.« Dann ging er. Einige Augenblicke später, als Bongani immer noch schockiert dastand, öffnete sich erneut die Tür. Er erstarrte und glaubte, der Alte Mann sei zurückgekehrt. Doch diesmal war es ein Student.
    »Ich wollte mal wegen der Arbeit nachfragen ...«
    »Haben Sie den Alten Mann gesehen?«
    »Welchen alten Mann?«
    »Er ist gerade gegangen. Sie müssen ihm auf dem Flur begegnet sein.«
    »Nein, Sir, auf dem Flur war niemand. Ich habe nur gesehen, dass Ihre Tür offen war, und da dachte ich ...«
    Aber Bongani rannte an ihm vorbei und blickte links und rechts den Flur hinunter. Wie lange hatte er wie gebannt hinter seinem Schreibtisch gestanden? Konnte sich der Medizinmann hinter einem der Kühlschränke verbergen, die den Korridor säumten? Oder hatte er sich das alles nur eingebildet? Er kehrte zu dem Studenten zurück.
    »Es tut mir leid. Ich habe Besuch erwartet und bin ein bisschen spät dran. Ich fühle mich nicht wohl. Können Sie morgen noch einmal wiederkommen?« Es war unübersehbar, dass er sehr angespannt war. Der Student nickte verständnisvoll und verließ rasch sein Büro.
    Bongani sammelte die heruntergefallenen Papiere auf, setzte sich an seinen Schreibtisch, holte tief Luft und wählte Kubus Nummer. Ihm fiel nichts anderes ein. Kubu war beschäftigt, hörte aber die Panik aus Bonganis Stimme heraus. Er willigte ein, so schnell wie möglich in den Dozentenklub der Uni zu kommen.
    Draußen vor der Universität blieb der Alte Mann an der Straßenecke stehen und wartete auf ein Minibus-Taxi. Es waren zahlreiche unterwegs, denn viele Studenten benutzten sie, um mit ihnen von zu Hause oder von ihren Studentenbuden aus zum Campus zu fahren. Der Alte Mann hob den Zeigefinger der rechten Hand, ein Zeichen, dass er zum zentralen Busbahnhof wollte.
    Ein knallroter Toyota Minibus fuhr in seine Richtung. Er war zerkratzt von zahlreichen Beinahe-Zusammen stößen, und auf der Rückseite stand in schwarzen Buchstaben: »Onkel ist der Beste, lässt Sie nie im Stich.« Es gab keine Beweise für diese Behauptung, aber sie vermittelte den Passagieren eine gewisse Sicherheit. Onkel überholte einen Lkw, der viel schneller fuhr als erlaubt, bremste ihn aus, um dann vor einer Ampel, die gerade auf Rot umgesprungen war, zu beschleunigen. Dann schnitt er mit einem Schwenk einen Mercedes, der gerade die Spur wechseln wollte. Der Minibus war voller Studenten, die sich laut unterhielten und über ihre Witze lachten. Einige ältere Passagiere hielten ein Schwätzchen und schienen die lebensgefährliche Raserei des Taxis völlig auszublenden. Ein Paar, das zum ersten

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