Kubu und der Tote in der Wueste
Mine zu besorgen, also hatte Aron ein paar Tage Bedenkzeit. Er brauchte die Diebe ja nicht selbst dingfest zu machen. Er musste zunächst nur zweifelsfrei nachweisen, dass Jason nicht einer von ihnen war. Da Motive bei geologischen Rätseln keine Rolle spielen, war das Neuland für ihn, aber es war ja ganz offensichtlich, dass niemand ein solches Verbrechen begehen würde, wenn er sich nicht persönlich bereichern wollte. Er überlegte, inwiefern Jason von dem Diebstahl profitieren würde.
Jason besaß Anteile an der Mine, daher würde er sich zunächst einmal selbst bestehlen. Doch wenn es ihm gelänge, die Diamanten für einen wesentlich höheren Preis als seinen normalen Anteil zu verkaufen, wäre das äußerst rentabel. Andererseits konnte er froh sein, wenn er für gestohlene Diamanten die Hälfte ihres Wertes erhielt – wahrscheinlich war es eher nur ein Viertel, da der Kimberley-Prozess es erschwerte, Steine auf dem grauen Markt zu verschieben. Außerdem müsste er Komplizen bezahlen. Das alles ergab keinen Sinn. Doch eines musste Aron noch genau überprüfen.
Am nächsten Morgen rasierte sich Aron zum ersten Mal seit mehreren Tagen, zog sich so sorgfältig an, als arbeitete er bei De Beers und nicht in Maboane, und machte er sich auf den Weg in die Verwaltung. Dort wandte er sich an Shirley Devlin, eine attraktive junge Waliserin, mit der er hin und wieder ein bisschen geflirtet hatte.
»Hallo, Shirley«, sagte er, und vor lauter Nervosität verstärkte sich sein deutscher Akzent. »Heute Morgen brauche ich mal deine Hilfe.« Sie schenkte ihm ein Lächeln, behielt aber im Hinterkopf, dass er seit ihrer letzten Begegnung reichlich Zeit gehabt hatte, sich an sie heranzumachen, egal, ob er ernste Absichten hegte oder nicht. Wobei ihr an ernsten Absichten nicht besonders viel gelegen war.
»Ich muss sämtliche KP-Protokolle mit den einzelnen Steinen vergleichen, die wir der Steuer von Botswana in den letzten drei Monaten gemeldet haben.« Aron hatte damit gerechnet, dass seine Bitte kaum Begeisterung auslösen würde, und eine, wie er hoffte, plausible Erklärung vorbereitet.
Shirley sah ihn an, als wäre er nicht ganz richtig im Kopf. Was er verlangte, bedeutete erstens einen Berg von Arbeit und zweitens eine Einmischung in ihre Kompetenzen. Außerdem war es überflüssig. Jede Rechnung ging auf, weil es ihre Aufgabe war, dass sie aufging.Der einzige Grund für eine solche Überprüfung konnte nur darin liegen, dass man sie entweder für unehrlich oder für inkompetent hielt. Es war kein besonders kluges Manöver, wie sie ihm unmissverständlich klar machte.
»Nein, nein!«, protestierte Aron. »Es hat Nachfragen gegeben, und ich muss Auskunft geben. Angeblich sollen Diskrepanzen zwischen der Karatzahl aufgetreten sein, die wir der Steuer angegeben haben, und der, die in den Kimberley-Zertifikaten aufgeführt sind. Das ist nur eine Prüfung, um sicherzugehen, dass steuerlich alles ordentlich deklariert wurde. Niemand behauptet, du hättest deine Arbeit nicht ordentlich erledigt. Aber alles muss eben wieder und wieder überprüft werden. Die machen sich Sorgen, wir würden für den KimberleyProzess mehr Diamanten angeben als bei der Steuer.«
»Es kann unmöglich eine Diskrepanz geben. Die Diamanten werden im Sortierraum klassifiziert und portionsweise gewogen. Anschließend werden sie hierhergebracht und für die Kimberley-Zertifikate erneut gewogen und beschrieben. Mr Ferraz zeichnet beide Angaben ab und überprüft auch die Rückgabe an die Mine.«
»Schon, aber angenommen, zusätzliche Diamanten wurden für den KP beschrieben, aber nicht in der Anlage gewogen?«
»Ich habe dir doch gerade gesagt, dass Mr Ferraz alles überprüft. Falls man mir misstrauen sollte.« Sie schien die letzte Frage als doppelt beleidigend zu empfinden.
»Das ist das Problem, Shirley. Die Behörden verlangen jetzt von uns, die Minenprotokolle direkt mit den Rückgaben zu vergleichen. Am einfachsten geht das, in dem wir sie mit den KP-Protokollen vergleichen.«
Sie drohte, sich an Jason Ferraz zu wenden. Mit einem Achselzucken deutete er an, dass das ihre Entscheidung sei. Dann blieb er einfach stehen und wartete. Schließlich sagte sie ihm, was er ihrer Ansicht nach mit seiner ganzen Erbsenzählerei machen könne, erklärte sich dann jedoch bereit, ihm zu helfen. Bis zum Mittagessen waren sie fertig. Über jeden einzelnen Diamanten war Buch geführt worden, jedes einzelne Kimberley-Zertifikat war mit einem für die Steuer
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