Kuckucksmädchen
dieses Alters. Ebenso wie folgende: ein edles Rennrad an der Wand, das seit acht Monaten einen Platten hat und auch keine ernsthafte Aussicht darauf, repariert zu werden, weil Jonathan dann doch lieber mit der Bahn fährt. Im Badezimmer seit zwei Jahren noch immer keine Toilettenpapierhalterung, dafür aber seit eineinhalb Jahren wenigstens konstant vorhandenes Toilettenpapier. Das erwähnte teure Ledersofa, dafür leider kein Sofatisch, sodass man auf dem FuÃboden abgestellte Weingläser regelmäÃig über die Holzdielen kippt. Ãberhaupt kein Talent, seine Hemden zu bügeln, aber dafür eine Putzfrau, die ihm einmal in der Woche den Arsch rettet. Ein Leben in der Ãbergangsphase. Akzeptabel, aber verbesserungswürdig. Irgendwie ganz gemütlich, aber noch nicht so richtig ein Zuhause. Ein Leben, das mich mit groÃen Augen anschaut und bittet, mich seiner anzunehmen.
Natürlich habe ich einen Schlüssel, aber ich mag es zu klingeln. Jonathan auch. Wir haben nie darüber gesprochen, und trotzdem hat sich da dieses Klingelzeichenritual in unsere Beziehung geschlichen. Zweimal klingeln bedeutet: Ich bin da, mach bitte auf! Dreimal klingeln bedeutet: Ich bin da und freu mich auf dich, mach also bitte schnell auf. Gar nicht klingeln, sondern den Schlüssel benutzen, bedeutet: Ich habe schlechte Laune und schon jetzt keine Lust auf Kommunikation.
Ich klingle dreimal schnell hintereinander, und Jonathan betätigt zur Rückbestätigung dreimal hintereinander den Summer.
Als ich in die Wohnung komme, kann ich das versprochene Abendessen weder sehen noch riechen, noch kündigt es in sonstiger Form seine baldige Ankunft an.
»Was gibt es denn heute Abend Leckeres?«, frage ich und ahne es schon.
»Was immer du möchtest«, antwortet Jonathan eine Spur zu vollmundig.
»Bedeutet: Du weiÃt es noch nicht?!«
»Bedeutet: Ich wollte gerade einkaufen gehen. Du darfst dir also was wünschen. Wir können auch zusammen gehen, wenn du willst.«
Meine Laune verschlechtert sich schlagartig. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Doch. Ich mach dir alles, was du willst, meine Liebste. Sogar Bananenpfannekuchen. Die müsstest du dann allerdings alleine essen.«
Nach all den Jahren bin ich mir noch immer nicht sicher, ob es Naivität, Rücksichtslosigkeit oder Spontanität ist. »Jonathan, hast du mal auf die Uhr gesehen? Es ist sieben Minuten vor acht.«
»Neun Minuten vor acht. Alles easy. Ansonsten gehen wir eben zum Lidl auf der Reeperbahn, der hat noch bis zwölf auf.«
Ich seufze. »Zusammengefasst: Du lädst mich zum Essen ein, hast aber nichts im Haus. Willst jetzt zusammen mit mir und fünfhundert Betrunkenen im Billigsupermarkt auf dem Kiez einkaufen gehen, und danach soll ich wahrscheinlich noch die Zwiebeln schneiden?«
Jonathan lächelt. »Nicht, wenn es Bananenpfannekuchen gibt, Baby.«
Ein schöner Scheidepunkt im Gespräch für verschiedenste Reaktionsmöglichkeiten. Möglichkeit A: Ich werde richtig, richtig böse, sage ihm, dass er sich auch gerne eine Pizza bestellen kann, weil das die wenigsten Umstände macht, und dass er den Rest des Abends allerdings leider alleine verbringen muss. Dann gehe ich. Möglichkeit B: Ich frage ihn seufzend, wie er es eigentlich schafft, ohne mich zu funktionieren, und schaue im Kühlschrank nach, was man aus den vorhandenen Resten noch machen kann. Möglichkeit C: Ich sage, dass Bananenpfannekuchen eine richtig süÃe Idee von ihm wäre und dass ich schon mal den Tisch decke, während er schnell einkaufen geht.
Ich entscheide mich für Möglichkeit B in einer leichten Variation: »Jonathan. Wie soll das funktionieren? Was wäre denn, wenn wir jetzt Kinder hätten, und ich komme nach Hause, und die Kleinen sind hungrig und müde und schreien, und du bist einfach nur unzuverlässig?«
Er zuckt mit den Schultern. »Dann kriegen sie von mir âne Packung Milchschnitten und lieben mich dafür.«
»Aha. Und von mir werden sie nach zwei Jahren regelmäÃig zum Zahnarzt gebracht und hassen mich dafür.«
»Richtig. Genau so, wie es sich gehört in einer klassischen Familie.«
Ich schlieÃe die Augen. Von Ernst zu Spaà und zurück auf Ernst in nur wenigen Sekunden.
»Ich will das aber nicht.«
»Hey, hey, kein Problem.« Er nimmt mich in den Arm. »Dann fahr eben ich die Kinder zum Zahnarzt,
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