Kuckucksmädchen
auf weiÃer Haut ⦠Das ist einfach nicht ihre Welt.«
»Warum erzählst du mir das alles?«, unterbreche ich ihn.
»Weil du es wissen wolltest.«
»Wie bitte? Ich â¦Â«
»Du kommst in mein Leben, Wanda, in unsere Wohnung, stellst all diese Fragen. Stehst offensichtlich an einem Scheidepunkt. Und dann siehst du Anouk und mich, die Kinder, diese Wohnung. Und denkst, bei mir ist alles hundertprozentig perfekt.«
»Schlag noch mal fünfzig Prozent drauf.«
»Und dann lasse ich dich so abblitzen und gebe dir auch noch schlaue Tipps. Als ob ich wüsste, wie leben geht. Ich hab gesehen, wie du dich danach gefühlt hast. Deswegen wollte ich dich noch mal treffen. Ich erzähle diese Sache normalerweise nicht, Wanda. Aber ich dachte, es könnte für deine ⦠Berechnungen interessant sein.«
»Meine Berechnungen �«
»Oder deine Recherchen. Keine Ahnung, wie man das nennt, was du da machst. Irgendwie versuchst du aber, deine Zukunft über ein Ausschlussverfahren oder so zu planen. Und was ich dir auf deinen Zettel schreiben will, ist, dass nicht immer alles so ist, wie es aussieht.«
Ich denke an die bunte Bullerbü-Welt, in der Max mit seiner Familie lebt. Gerne lebt. Obwohl er eigentlich nicht richtig reinpasst.
»Wenn wir noch zusammen wären, würdest du mich dann heute auch mit anderen Frauen betrügen?«
»Ich weià es nicht. Betrügt nicht jeder jeden heutzutage?«
»Glaubst du, dass Anouk dich betrügt?«
Max lächelt gequält. »Punkt für dich. Nein, das glaube ich nicht. Aber Anouk hat auch nicht diese Seite in sich.«
»Du meinst die Seite, die dich in Swingerclubs treibt?«
»Ich glaube, sie hat gar nicht das Bedürfnis, etwas Neues zu entdecken. Anouk ist zufrieden, wenn sie Sicherheit und Geborgenheit spürt. Aber ich brauche neben all dieser Geborgenheit eben auch ab und zu mal etwas Aufregung.«
»Zwei Herzen schlagen, ach, in deiner Brust â¦Â«, sage ich sarkastisch, und Max nickt.
»Irgendwie schaffe ich es gerade, zwischen diesen Welten zu pendeln.«
»Früher oder später fliegen solche Geschichten auf.«
»Ich weiÃ. Das ist ja das Schlimme. Trotzdem. Ich kann nicht verzichten. Nicht auf Anouk. Und aber auch nicht auf diese andere Welt. Ich bin wie angefixt.«
»Schwarzes Leder auf weiÃer Haut, hm?«
Max nickt und antwortet nicht. Die pastelligen kleinen Babuschka-Anouks starren mich stumm und bewegungslos an.
Plötzlich ist das Leben ein bisschen weniger scheiÃe. Eigentlich sollte ich wohl Mitleid mit Anouk haben. Aber Mitleid stellt sich nicht ein, eher Erleichterung. Maxâ ach so buntes Bullerbü hat ein paar schwarze Löcher. Und ich will dieses Bullerbü nicht, ob mit oder ohne Löcher, und Max will ich auch nicht, ob mit oder ohne Swingerclub, das ist mir viel zu kompliziert.
Als hätte Jonathan nur darauf gewartet, mal wieder sein Gefühl fürs perfekte Timing unter Beweis zu stellen, lädt er mich zu sich nach Hause zum Essen ein. Weil er keinen besseren Moment für diese Einladung hätte finden können, sage ich gerne zu. Und meine es so und freue mich und rasiere mir sogar die Beine, bevor ich losgehe.
Jonathans Wohnungseinrichtung ist zusammengewürfelt und unüberlegt und deswegen genau richtig. Allein lebende Männer unter fünfunddreiÃig mit durchgestylten Wohnungen machen mir Angst. Ein groÃer Flachbildfernseher und ein teures Ledersofa sind okay. Das kann ich noch einordnen. Aber wenn Männer anfangen, mit Wohntextilien zu arbeiten, dazu Bildergalerien an die Wände hängen oder dicke Kerzen aufstellen, fühlt sich das nicht richtig an. Zumindest, wenn sie nicht schon einmal geschieden worden sind.
Jonathan macht es genau das richtige bisschen falsch. Er hat eine Zweizimmerwohnung (die richtige Zahl, um zu erkennen, dass in näherer Zukunft etwas anderes kommen soll) im Stadtteil St. Pauli (weit genug weg von den Nutten und kotzenden Touristen, nah genug an billigen und trotzdem guten Pizzaläden). Den Absprung aus der Studenten-WG hat er lange hinausgezögert und dann mit einunddreiÃig gerade noch rechtzeitig geschafft. Was er seitdem nicht geschafft hat, ist, sich ein ordentliches Bett zuzulegen. Er schläft noch immer auf einer Matratze am Boden. Auch wenn es eine teure Latexmatratze ist, eines der typischen Merkmale für einen Mann
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