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Kuckucksmädchen

Kuckucksmädchen

Titel: Kuckucksmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Lohmann
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zu, bevor ich mich noch ein letztes Mal umdrehen kann.
    In dem Moment, in dem ich an die frische Luft trete, explodiert wie erwartet das Herz:
    â€“Aua! Verdammte Scheiße. Was war das denn?
    â€“Tut mir leid. Hast du dir wehgetan?
    â€“Natürlich. Hättest du nicht besser aufpassen können? Ich blute!
    Zögerlich gehe ich ein paar Schritte die Straße entlang. Das Herz hört nicht auf, aufgeregt zu schlagen.
    â€“Und jetzt? Kann ich irgendwas für dich tun?
    Das Herz seufzt resigniert:
    â€“Was willst du machen? Pusten?!
    Ich ignoriere die Ironie in seiner Stimme und spüre dem seltsamen Gefühl nach, das nach meinem Besuch bei den beiden zurückbleibt.
    â€“Aber irgendwie war es doch komisch, oder? Irgendwas ist doch mit deren Glück nicht ganz in Ordnung. Oder bilde ich mir das ein?
    Das Herz ist erschöpft und überfordert. Es flüstert nur noch ein leises:
    â€“Ich weiß es nicht. Ich bin verletzt, und zieht sich zurück.
    So spät in der Nacht dauert es lange, bis die nächste S-Bahn kommt. Dreizehn Minuten, sagt die Anzeigetafel des Hamburger Verkehrsverbundes. Ich laufe eine Weile den Bahnsteig auf und ab, bis ich die Stelle gefunden habe, an der es am wenigsten zieht. Aber das Herz in meiner Brust hört trotzdem nicht auf zu zittern.
    Vor der Wohnung in Othmarschen steht jetzt der Container. Die Jungs haben ihn gestern gebracht. Bevor ich ihnen das Okay zum Rausreißen der Möbel gebe, muss ich noch Schränke und Schubladen leeren, echten von Modeschmuck unterscheiden, Vasen und Uhren und Nageletuis und Taschenmesser und Münzsammlungen und Spazierstöcke sortieren. Erinnerungen wegschmeißen, deren Wert ich nie gekannt habe. All die Mühen, und was bleibt? Eine Enkelin, die nicht weiß, wohin mit den Resten des Lebens ihrer Großeltern. Wieder einmal drohe ich in Sinnlosigkeit zu ertrinken.
    Und plötzlich beneide ich Anouk. Sie hat einen Job, bei dem sie es sich nicht leisten kann zu überlegen. Sie muss ihn einfach machen. Die Kinder sind da, die Liebe zu ihnen wird offensichtlich zuverlässig mitgeliefert, jetzt werden sie versorgt, ohne dass sich Anouk weitere Optionen ansehen und grübeln muss. Ihr Leben hat einen Sinn. Und diesen Sinn hat sie mir auch freundlicherweise sehr provokant unter die Nase gerieben.
    â€“Heißt das, du willst auch ein Bullerbü?
    â€“Ich weiß es nicht. Ich meine, von außen betrachtet, sah es schon schön aus, aber …
    â€“… Aber?
    â€“Irgendwie war es von allem ein bisschen zu viel. Die Kinder waren einen Tick zu süß angezogen, die Wohnung einen Hauch zu bunt eingerichtet, und …
    â€“… und Anouk ein bisschen zu perfekt?
    â€“Richtig. Deren Leben ist auf seine ganz eigene, verlogene Art spießig. Verstehst du, was ich meine?
    â€“Du meinst, Bullerbü ist am Ende genau das, wovor wir Angst haben?
    â€“Ich fürchte ja, mein Herz.
    Stille.
    â€“Und was machen wir jetzt?
    â€“Ich weiß nicht, was du machst, aber ich brauche jetzt erst mal ’ne Pause, seufzt es ein wenig theatralisch und ist fürs Erste raus.
    Eine gute Idee, finde ich und versuche, mich einfach mal auf nichts anderes als meinen Job zu konzentrieren. Das geht ungefähr eine halbe Stunde lang gut. Als das Telefon klingelt, bin ich gerade dabei, das Nähkästchen meiner Großmutter zu sortieren. Auf dem Display erscheinen drei mir sehr bekannte Buchstaben.
    Â»Max?«
    Â»Hallo, Wanda.«
    Â»Mit dir hatte ich eigentlich nicht mehr gerechnet.«
    Oder jedenfalls nur im Geheimen. Während ich weiter im Nähkästchen herumsuche, finde ich ein Nadelkissen, das ich mit ungefähr acht Jahren in der Grundschule gebastelt haben muss. Es hat zwei Perlenaugen, eine Knopfnase und soll eine Maus darstellen. Sie hat zweiundzwanzig Jahre hier gesessen und auf mich gewartet.
    Max’ Stimme klingt nah und ernst: »Ich habe noch mal über unser Treffen nachgedacht. Was du eigentlich von mir wolltest. Wonach du eigentlich suchst. Und über die Fragen, die du mir gestellt hast.«
    Â»Und was ist rausgekommen?«
    Â»Ich würde mich gerne noch mal mit dir treffen.«
    Irritiert streiche ich der Nadelkissenmaus über die Knopfnase.
    Â»Aber wofür?«
    Im Telefon ist es eine ganze Weile still. Und dann sagt Max:
    Â»Sagen wir mal so: Ich habe dir nicht die ganze Geschichte erzählt.«
    Das Café, in dem wir uns treffen, habe ich

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