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Kuckucksmädchen

Kuckucksmädchen

Titel: Kuckucksmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Lohmann
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Faszination an anderen, möglich gewesenen Leben. Es ist auch eine Art Spiegel, der mir vorgehalten wird und der mich an die Wanda von früher erinnert. Die Frau, die ich mit achtzehn, dreiundzwanzig oder siebenundzwanzig war.
    Jonathan hat sich endlich was angezogen und brät in der Küche Spiegeleier und Toast. Ich stelle mich neben ihn, streichle nackt die Butterkuh und schaffe es sogar, darüber hinwegzusehen, dass die Eier nicht bio sind. So sehr freue ich mich darüber, endlich mal wieder hungrig vom Ficken zu sein. Jonathan freut sich auch, und dann essen wir im Stehen so gierig und schnell, dass mir die warme Butter und das flüssige Eigelb auf die Brüste tropfen.
    Als ich nach Hause komme, klingt das Herz noch immer ganz beseelt.
    â€“Das war schön mit Jonathan, oder?
    â€“Klar war es schön. Es ist oft schön mit Jonathan.
    â€“Aber?
    â€“Aber das wusste ich auch schon vorher. Das ändert nichts daran, dass hier noch zwei Namen auf unserem Zettel stehen.
    â€“Wir machen also weiter?
    â€“Schau mal, sage ich und streiche über Ilyas Namen.
    Das wäre der Nächste.
    â€“Ach, Ilya, seufzt das Herz und wendet sich schwelgerisch der Vergangenheit zu, während ich mich schon mal an den Schreibtisch setze.
    Als Erstes muss ich mich sehr darüber wundern, dass es in Deutschland immer noch Menschen gibt, die man nicht innerhalb von drei Minuten mithilfe eines internetfähigen Computers aufspüren und kontaktieren kann. Ilya hat sich gut versteckt, Google kann ihn jedenfalls nicht finden. Ich überlege eine Weile, durch welche Telefonketten ich mich wählen müsste, um an seine Kontaktdaten zu kommen. Aber die Vorstellung, mich mit ehemaligen Mitschülern unterhalten zu müssen, ist nur wenig verlockend. Ich weiß schon, warum ich nie zu unseren Jahrestreffen gehe. Irgendwann finde ich eine elf Jahre alte Handynummer aus dem Verzeichnis unserer Abiturzeitung und habe tatsächlich Glück.
    Â»Hallo, Ilya, hier ist Wanda.«
    Â»Wanda.« Er spricht meinen Namen langsam und verwundert aus, und es hört sich schön an, wie eine gute, alte Erinnerung.
    Â»Komisch, dass du gerade jetzt anrufst.«
    Â»Findest du? Wann haben wir uns denn das letzte Mal gesprochen?«
    Â»Das kann ich dir ziemlich genau sagen. Da waren wir achtzehn. Du hast aufgelegt, als ich dir von meiner neuen Freundin erzählt habe.«
    Â»Ach, wirklich? Kann ich mich nicht dran erinnern. Warum hast du nicht noch mal angerufen?«
    Â»Ist es etwa das, was Frauen erwarten, wenn sie mitten im Gespräch den Hörer auflegen?«
    Â»Natürlich. Das ist die einzige Option. Ich lege ständig auf und erwarte, dass man mich zurückruft.«
    Â»Tja, diese Info kommt viele Jahre zu spät.«
    Â»Jetzt hast du sie.«
    Â»Danke. Ich werde den Rest meines Lebens versuchen, mich daran zu erinnern. Sonst noch irgendwelche wichtigen Informationen, die du mir geben möchtest?«
    Â»Ich würde dich gerne besuchen kommen.«
    Stille.
    Â»Ilya? Bist du noch dran?«
    Â»Ja. – Darf man fragen, warum?«
    Â»Es ist … eine Art Projekt, würde ich sagen.«
    Â»Geschäftlich oder privat?«
    Â»Privat. Es ist ein privates Projekt, und dafür würde ich dich gerne treffen.«
    Â»Okay. Es gibt da nur ein kleines Problem.«
    Â»Lass mich raten: Die neue Frau an deiner Seite findet solche Projekte nicht so gut?«
    Am anderen Ende der Leitung höre ich ein trockenes und leicht melancholisches Lachen.
    Â»Ich wünschte, das wäre so. Aber im Moment interessieren sie meine Projekte nicht sonderlich. Meine Freundin hat mich vor zwei Wochen rausgeschmissen.«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Ich sag doch, es ist komisch, dass du gerade jetzt anrufst.«
    Â»Und wo wohnst du jetzt?«
    Â»Bei meiner Mutter. Das ist das kleine Problem, von dem ich sprach. Ich wohne in meinem alten Zimmer. Bis ich was Neues habe.«
    Â»Du wohnst wieder mit deiner Mutter in dem alten Haus in Brühl, in dem wir …«
    Â»â€¦ in dem wir vor über zehn Jahren mal sehr viel Zeit zusammen verbracht haben, Wanda. Richtig.«
    In der kalten Othmarschener Wohnung warten noch immer dreiundzwanzig Fotoalben und der komplette Inhalt eines Kleiderschrankes auf mich. Es sind die beiden Dinge, die mir am schwersten fallen, aber ich muss mich heute Nachmittag darum kümmern, bevor morgen die Jungs kommen und ich nach Köln

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