Kuckucksmädchen
Wanda. Kein Grund zum Weinen.«
Aber ich schluchze schon in seine Schulter. »Aber ich will doch auch die Kinder nicht. Und die klassische Familie. Ich will nicht mit dickem Bauch auf Wohnungssuche gehen, und ich will nicht mit dem Kinderwagen winzige Cafés in Hamburg-Ottensen verstopfen, und ich will nicht für einen Kita-Platz kämpfen und Mathehausaufgaben kontrollieren. Ich will nicht in ein gröÃeres Haus ziehen und auf einen besseren Job anstoÃen und unsere Tochter zu Engtanzpartys fahren und das Kleid für den Abiball aussuchen und abends vorm Badezimmerspiegel meine Falten mit teuren Cremes eincremen. Verstehst du denn nicht? Das ist der Anfang vom Ende.«
»Wow.« Jonathan schiebt mich von sich weg und sieht mir in die verquollenen Augen. »Meine kleine, optimistische Freundin«, sagt er liebevoll und zieht mich dann wieder zu sich.
»Aber was ich auch nicht will, ist eine frustrierte Yogalehrerin ohne Kinder werden«, schluchze ich weiter.
Jonathan streichelt meinen Kopf. »Ich garantiere dir, dass du keine frustrierte Yogalehrerin wirst, meine SüÃe. Dafür bist du viel zu ungelenkig.«
Ich seufze und schlucke und lache und schmiere ein bisschen Rotz an Jonathans Schulter. »Aber ich sage dir auch noch was anderes. Irgendwann wirst du dich entscheiden müssen, ob du die Nummer hier mit mir durchziehen willst. Oder nicht. Oder mit jemand anderem. Du kannst nicht an der Kreuzung stehen und dich jahrelang fragen, ob du rechts oder links gehen sollst. Du wirst dich bewegen müssen. Du fährst einen ganz schönen Egotrip gerade, weiÃt du das eigentlich?«
Ich nicke. »Du hast gar keine Ahnung, wie recht du hast.«
»Wieso?«
»Ich habe Max getroffen.«
»Schon wieder ein Exfreund?«
Ich nicke noch mal.
»Entweder diese Stadt ist kleiner, als ich dachte, oder du hast erschreckend viele Exfreunde, Wanda«, sagt Jonathan, und seine Stimme klingt resignierter als vorher.
»Oder ich habe es darauf angelegt.«
»Hast du?« Und zu der Resignation legt sich ein kleines bisschen Traurigkeit in seine Stimme. Ich nicke noch mal und denke an Max und Anouk, an Lasse und Bosse, das Baby und an Bullerbü. An Swingerclubs und versaute SMS und an die bunten Babuschkas auf der Wachsdecke im Café.
Mein Schluchzen wird mit jedem Gedanken leiser. Irgendwie hat mir die Geschichte mit Max Druck genommen. Ich schaue zu Jonathan hoch, dann ein bisschen weiter runter, und plötzlich fällt mir sein Herz auf. Ich kann es zwar nicht hören, aber ich sehe, wie es unter seinem dünnen T-Shirt pocht. Ich lege zwei Finger auf die Stelle über dem Pochen. Jonathan schaut eine Weile an sich herunter. Nimmt meine Hand und schiebt sie seinen Oberkörper entlang bis zu der Stelle oberhalb seiner Jeans. Atmet ein und zieht gleichzeitig so ruckartig den Bauch nach innen, dass meine Hand wie von allein in seine Hose fällt.
Er sieht mich mit ernstem Blick an, alle Traurigkeit ist verschwunden. Tut so, als dächte er angestrengt nach. »Sag mal, kann es sein, dass ich schon wieder drei Wochen lang vergessen habe, dich zu ficken?«, fragt er gespielt erschrocken.
Mein Kopf brummt von der vielen Heulerei, an meinen Wimpern hängen noch ein paar Tränen. Ich nicke und versuche, meine groÃen Augen noch ein bisschen trauriger aussehen zu lassen. Es gelingt mir ausgezeichnet. Er greift mit beiden Händen feste meine Oberarme. »Mensch, Wanda, warum sagste mir denn so was nicht?!«
Ich kann mir ein winziges Lächeln nicht verkneifen: »Ich dachte, du merkst es vielleicht von allein â¦Â«
Jonathan schüttelt heftig den Kopf und murmelt Flüche und Entschuldigungen, immer abwechselnd, als könne er seinen Fehler nie wiedergutmachen. Dann geht er auf die Knie, fasst mir an die Hüften und wirft mich wie einen nassen Sack über seine Schulter. Er trägt mich ins Schlafzimmer, wirft mich aufs Bett und zieht mir alles aus, was ich anhabe. Und dann fickt er die ganze Welt wieder ins rechte Licht.
Später liege ich allein im Bett. Das Herz ist heià und strahlt durch den ganzen Körper:
âIst das Leben nicht schön? Ist nicht alles ganz einfach?, fragt es und hüpft.
âBeruhig dich, Liebes. Du bist vollgepumpt mit Endorphinen â¦
âIst mir egal. Ich will mehr davon. Und ich versteh nicht, warum wir es uns eigentlich so schwer machen?
Irgendwie ist es nicht nur die
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