Kuehler Grund
nicht vergessen?«
»Welche Verabredung?«
»Sie nehmen mich mit in Ihren Dojo. Ich freue mich schon auf unseren Übungskampf. Sie wollten mir doch ein paar Tricks beibringen.«
Die Wände im Büro des Superintendenten waren mit Fotos bedeckt, manche davon schon viele Jahre alt. Die steifen, aufrechten Männer mit den hohen Kragen und den großen Schnurrbärten schienen Ben Cooper anzustarren und über ihn zu urteilen, ihm zu sagen, dass er ihren Anforderungen nicht genügte. Genau das war auch die Mitteilung, die Superintendent Jepson ihm zu machen hatte.
»Im Grunde läuft es also darauf hinaus, dass Sie diesmal noch nicht zum Zuge kommen, Cooper. Haben Sie etwas Geduld, dann ist es bald soweit, bestimmt. Mit der Zeit stellen sich die Dinge in einem neuen Licht dar. Es ist noch nicht aller Tage Abend. Und es könnte Ihnen auch nicht schaden, wenn Sie noch ein bisschen Ihren Horizont erweitern.«
Jepson studierte Coopers Reaktion. Hitchens hatte Recht – Cooper sah ein wenig gestresst und nervös aus. Mit den dunklen Ringen unter den Augen wirkte er älter als achtundzwanzig, und er schien sich heute morgen nicht richtig rasiert zu haben. Seine Hände zitterten leicht, und nicht erst, seit er erfahren hatte, dass er für die Beförderung zum Sergeant nicht in Frage kam. Jepson fragte sich, ob Ben Cooper vielleicht ein Alkoholproblem hatte. Er würde DI Hitchens fragen müssen.
»Ist die Entscheidung ein Schock für Sie, Cooper?«
»Ich hatte mir schon so meine Gedanken gemacht, Sir. Ich hatte nämlich letztens meine psychologische Beurteilung.«
»Und was stand in dem Bericht, Cooper?«
»Dass ich nicht selbstbewusst bin, Sir. Dass ich zu sehr dazu neige, Probleme zu internalisieren und bei unpassenden Gelegenheiten Empathie zu entwickeln.«
»Mmm. Und wissen Sie auch, was das bedeutet?«
»Keine Ahnung, Sir.«
»Es bedeutet, dass Sie viel zu nett sind, Cooper.«
»Aha.«
»Und nette Polizisten können wir nicht gebrauchen. Nicht mehr. Natürlich gibt es heutzutage jede Art von Polizisten, Cooper. Sie alle haben ihren Platz in einer modernen Polizeitruppe. Schwarze Polizisten, weibliche Polizisten, schwule Polizisten und sogar Polizisten, die hellsehen können.«
Cooper erriet, dass Jepson mit seiner letzten Bemerkung auf einen Artikel in der Lokalzeitung anspielte, in dem es um einen Kollegen ging, der ein prominentes Mitglied der Spiritistischen Kirche war und sich vor kurzem zu seinen hellseherischen Fähigkeiten bekannt hatte.
»Mich kann nichts mehr überraschen«, sagte Jepson. »Sie werden sehen, früher oder später haben wir auch noch Transvestiten bei der Truppe. Wenn demnächst der erste Kollege von der Sitte im Rock zum Dienst erscheint, gibt es kein Halten mehr. Dann kriegen wir Zwerge, Zombies und blauhäutige Polizisten vom Planeten Zog. Wer weiß? Vielleicht haben wir eines Tages genetisch veränderte Polizisten mit Muskeln wie King Kong und dem Gehirn einer Rübe. Nein, streichen Sie das. Die Sorte haben wir heute schon. Aber Gott bewahre, dass wir einen von ihnen diskriminieren, Cooper. Das einzige, was nicht geduldet werden kann, ist ein Polizist mit Vorurteilen.«
»Ja, Sir«, sagte Cooper und rang sich ein Lächeln ab.
Der Superintendent musterte ihn misstrauisch. Es gefiel ihm, wenn seine Untergebenen über seine Witze lachten, aber nur, wenn er tatsächlich einen Witz gemacht hatte. »Sie fragen sich jetzt vermutlich, aus welchem Grund es dann nicht auch nette Polizisten geben darf. Es gibt keinen Grund.«
»Nein, Sir. Nur vielleicht nicht gerade als Sergeant?«
»Wer will schon Sergeant sein? Das ist ein Scheißjob, glauben Sie mir.«
Die Unaufrichtigkeit dieser Feststellung hing schwer im Raum. Jepson klopfte verlegen mit den Händen auf den Schreibtisch und starrte Cooper so lange an, bis dieser nicht mehr anders konnte, als etwas darauf zu sagen.
»Es macht mir wirklich nicht so viel aus, Sir. Nicht, dass Sie denken, ich wäre jetzt sauer.«
»Quatsch. Ich an Ihrer Stelle wäre fuchsteufelswild. Sie versuchen nur, nett zu sein. Und genau da liegt Ihr Problem, sehen Sie?«, sagte er triumphierend.
»Das werde ich mir wohl nie abgewöhnen, Sir.«
»Ich rate Ihnen, gehen Sie und schießen Sie ein paar Tauben, oder was Sie sonst in Ihrer Freizeit machen. Reagieren Sie sich ab. Gehen Sie einen trinken. Dann haben Sie es bald vergessen.«
Cooper senkte den Kopf, während Jepson mit ernster Miene seine Schlussbemerkung anbrachte. »Aber keine Gefühlsausbrüche,
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