Kuehler Grund
es nicht gegeben.
Bis gestern war es Charlotte einigermaßen gelungen, sich einen Anschein von Normalität zu geben, doch dann hatte der Besuch der Polizistin ihre Selbstbeherrschung wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen lassen. Seitdem kam von ihr kaum noch ein Wort, kaum eine Reaktion. Heute hatte sie den ganzen Tag das Foto von Laura an sich gepresst, das die Polizei endlich wieder zurückgegeben hatte.
Und was Daniel anging, so schien sich zwischen ihnen, seit er sein Pulver verschossen hatte, ein unsicherer Friede anzubahnen. An diesem Morgen hatte Graham sogar den Eindruck gehabt, dass sich das Verhältnis zwischen seinem Sohn und ihm entscheidend verbessern könnte, wenn diese Sache erst einmal ausgestanden war. Aber wann würde das sein?
»Was treiben sie denn jetzt schon wieder?«, fragte Daniel.
»Keine Ahnung«, sagte Graham. »Mir sagen sie ja nicht, was sie vorhaben.«
Ihnen fehlte der Dorfklatsch, den Sheila Kelk normalerweise nur zu gern bei Charlotte abgeladen hätte. Der einzige andere Mensch, den sie möglicherweise hätten fragen können, war Andrew Milner, aber für Graham war es undenkbar, sich diese Art von Informationen von seinem Angestellten zu beschaffen.
Vater und Sohn standen halbwegs einträchtig an der Terrassentür. Graham war froh, dass Daniel sich schließlich doch noch ein wenig hergerichtet hatte. Er hatte sich die Haare gewaschen und irgendwo im Haus frische Sachen zum Anziehen gefunden. Auch die Küche war erst kürzlich geputzt worden, und das war gewiss nicht Charlotte gewesen. Eigentlich war er überrascht, dass sein Sohn immer noch zu Hause war. Er beobachtete Daniel, um zu verstehen, was in ihm vorging, und weil er eine weitere, ihm unbegreifliche rebellische Geste befürchtete.
Aber Daniel starrte in den Garten hinaus, den Blick auf die dunklen Gestalten geheftet, die zwischen den Koniferen an der unteren Mauer herumstöberten.
»Wonach suchen sie, Dad?«
»Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Graham.
Sie sahen zu, wie sich die Polizisten für ein paar Minuten in der Mitte des Rasens versammelten und sich die Erde von den Knien klopften, während sie das weitere Vorgehen besprachen. Dann verteilten sie sich wieder. Die Beamten zogen ihre Handschuhe an und gingen auf die dichten Büsche am Ostrand des Grundstücks zu. Sie arbeiteten sich immer näher an das Tor heran, das auf den Baulk hinausführte. Die Suche ging weiter.
Am Nachmittag suchte Cooper eine Familie aus East Anglia auf, die in der Nähe von Bakewell ein Ferienhaus gemietet hatte. Vor der Höhle in Castleton hatte man ihnen ihren Mitsubishi gestohlen, wie üblich mitsamt Kamera, Fernglas, Handy, Brieftasche und Scheckheft, die im Handschuhfach eingeschlossen gewesen waren. Sie hatten Glück, dass ihnen die Versicherung bis zum Ende der Ferien einen Leihwagen zugestand, aber Cooper hatte das Gefühl, dass sie nicht noch einmal in Derbyshire Urlaub machen würden. Immerhin glaubte ein Familienmitglied, die Diebe in der Nähe des Autos gesehen zu haben, als sie zur Höhle gingen. Eine winzige Spur.
Von Bakewell aus fuhr er über die A6 bis Ashford-in-the-Water. Überall am Straßenrand lagen kleine Strohbüschel und Halme, die vom Fahrtwind hochgewirbelt wurden und wie goldene Sonnenfäden wieder zu Boden sanken.
Die Schulferien dauerten noch eine Woche, und die Touristenrouten durch den Peak District waren von Autos und Wohnwagen verstopft. Wenn sich das schöne Wetter noch etwas länger hielt, würden die Ausflugsziele am Wochenende wieder überfüllt sein und Tausende von Menschen auf den engen Landstraßen schwitzend im Stau stehen, umgeben von Abgaswolken und dem Gestank des heißen Asphalts.
Die Straßen in Ashford waren zugeparkt, und auf der Brücke über das Wehr drängten sich Leute, die zusahen, wie die Enten im seichten Wasser herumpaddelten oder Familien am grasigen Ufer picknickten. In der Mitte des Dorfes, gleich hinter der Kirche, lag ein kleiner Parkplatz, aber da er dicht von Häusern umstanden war, war er relativ sicher. Cooper fuhr weiter.
Von Ashford aus führte eine Straße zum Monsal Head hinauf, dessen spektakuläre Aussicht auf den Eisenbahnviadukt über das bewaldete Wye-Tal viele Touristen zum Anhalten verlockte. Die Bahnlinie war schon lange nicht mehr in Betrieb, und die Trasse wurde inzwischen als Wanderweg genutzt. Auf der anderen Seite des Monsal Dale lagen die Gemeinde Brushfield und eine Hochebene mit einigen stillgelegten Schachtanlagen, die auch sonst zu
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