Kuehles Grab
Asservatenkammer ist.«
»So viel Glück haben wir nicht, doch immerhin hat man den Dachboden auf Fingerabdrücke untersucht, und wir könnten uns eine Kopie der Fingerspuren aus der Akte besorgen, wenn welche da gewesen wären.«
»Lieber Himmel! Ging bei den Ermittlungen auch irgendwas glatt?«
»Nein. Die Sache war von Anfang bis Ende verkorkst. Mrs. Watts drehte fast durch – immerhin sah es so aus, als hätte sich jemand in ihrem Speicher eingenistet. Aber sie blieb noch zahm im Vergleich zu Russell Granger, der praktisch eine Abordnung der Nationalgarde für den Schutz seiner Familie forderte. Noch schlimmer führte er sich auf, als sich herausstellte, dass die Ermittler einen Stapel Polaroidfotos in dem Nest gefunden hatten: Annabelle auf dem Schulweg, Annabelle in der großen Pause, Annabelle beim Seilhüpfen mit ihrer besten Freundin Dori Petracelli …«
D. D. schloss die Augen. »Komm auf den Punkt.«
Bobby zuckte mit den Achseln. »Die Polizei konnte nichts tun. Sie hatten keine ordentliche Personenbeschreibung, und es lag kein Verbrechen gegen Annabelle vor. 1982 gab es noch kein Stalker-Gesetz. Die Cops hören sich noch mal in der Schule um, befragen die Busfahrer, den Hausmeister, die Lehrer – alle Männer, die mit Annabelle in Kontakt kommen und deshalb eine besondere Vorliebe für sie entwickelt haben könnten. Sie untersuchen gründlich Mrs. Watts Haus, finden aber weder Hinweise noch verwertbare Spuren. Die Detectives setzen die Maschinerie in Bewegung und suchen nach Vagabunden und Pädophilen, die sich vorwiegend für kleine Mädchen interessieren und auf den Dachböden älterer Ladys hausen. Sie statten psychiatrischen Kliniken und Armenküchen Besuche ab und durchlaufen das übliche Programm, durch das man damals Perverse aufgespürt hat. Das alles führt jedoch zu nichts.
Und Mr. Granger wird immer ungehaltener. Er wirft den Cops vor, sich nicht ausreichend um sein Anliegen zu kümmern, beschuldigt die Nachbarn, Perverse zu beherbergen, und macht die Staatsanwaltschaft für den möglichen Mord an seiner kleinen Tochter verantwortlich. Eines Tages, als die Cops die Grangers zu einer weiteren Befragung aufsuchen, ist das Haus leer. Eine Woche später bekommt die Staatsanwaltschaft die telefonische Mitteilung von Mr. Granger, dass er und seine Familie weggezogen seien, da die Behörden des Commonwealth of Massachusetts sich weigern, seine Tochter zu beschützen. Granger legt auf, bevor ihm jemand Fragen stellen kann, und das war's dann. Das Department schickt noch ein, zwei Wochen lang Streifen durch die Nachbarstraßen, aber es wird nichts Verdächtiges mehr beobachtet oder gemeldet.«
»Moment! Wo ist diese verdammte Liste noch mal? Okay, nach allem, was wir heute gehört haben, verschwand Dori Petracelli am 12. November 1982 – wenige Wochen nach dieser Geschichte mit den Grangers. Hätte das die Cops nicht stutzig machen müssen?«
»Dori wurde nicht von zu Hause entführt. Sie war zu Besuch bei ihren Großeltern in Lawrence. Anderer Zuständigkeitsbereich, andere Umstände. Augenscheinlich hat das Department von Lawrence eine Kopie der Polizeiakte über den Unbekannten in Geraldine Watts Haus angefordert, aber dabei kam nichts heraus. Vergiss nicht – keine Fingerabdrücke, keine genaue Personenbeschreibung. Ich glaube, die Jungs in Lawrence haben dem Granger-Vorfall nur flüchtig Beachtung geschenkt und sich, als klar war, dass es nichts Solides gab, woran sie sich festbeißen konnten, auf den eigenen Fall konzentriert.«
D. D. lehnte sich zurück. »Und du denkst, Annabelle war das eigentliche Ziel und Dori nur ein Trostpreis?«
»So in der Art.«
»Und wo stehen wir?«
»Wir sind um fünfundzwanzig Jahre klüger.« Bobby verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Ich möchte Stan-n-Dan nicht kritisieren. Ich habe ihre Berichte durchgelesen und muss sagen, dass sie Granger mehr Zeit geopfert haben, als es die meisten anderen Ermittler getan hätten. Ich glaube, ihr Fehler war, dass sie keinen wirklichen Jagdinstinkt hatten. Sie gingen auf diesen Dachboden und entdeckten das Versteck. Und alle anderen sahen auch das Lager – das und die Beschreibung des Verdächtigen als verwahrlost hat die Ermittler auf eine ganz bestimmte Spur gesetzt. Das ist einer der Gründe, warum man diesen Fall nicht unbedingt mit Dori Petracellis Entführung in Verbindung gebracht hat. Angeblich fuhr Doris Entführer einen weißen Van. Kein Mensch kam auf die Idee, dass der Spanner in Annabelles
Weitere Kostenlose Bücher