Kuehles Grab
handfeste Verdachtsmomente vorlagen.
»Und«, setzte sie munter hinzu, »wie ist es mit Catherine gelaufen?«
Bobby erzählte das Wichtigste: »Catherine behauptet, zweimal mit Russell Granger gesprochen zu haben. Er stellte sich ihr als Special Agent vom FBI vor und befragte sie auf ähnliche Weise wie die Polizei. Interessant ist jedoch, dass er ihr eine Bleistiftzeichnung von dem angeblichen Peiniger mitgebracht hat.«
»Tatsächlich?«
»Catherine sagt, die Skizze sah Richard Umbrio überhaupt nicht ähnlich. Grangers Zeichnung zeigte einen schmächtigeren Mann. Als sie Granger das erklären wollte, fing er an, mit ihr zu diskutieren. Er meinte, dass sie sich ihren Peiniger vielleicht nicht genau genug angesehen hätte. Oder wenn der Mann von der Zeichnung eine Perücke getragen und etwas mehr Gewicht gehabt hätte, dann könnte er doch auf ihre Beschreibung passen.«
D. D. sah ihn nach wie vor aus großen Augen an. »Er hatte eine Zeichnung?«
Bobby nickte. »Catherine deutete an, dass Granger hauptsächlich Fragen nach dem Entführer gestellt hat. Er verlangte eine ganz genaue Personenbeschreibung, wollte wissen, wie seine Stimme geklungen hat und ob er besondere Körpermerkmale hatte. Dann zeigte er ihr die Zeichnung. Na ja, das könnte Tarnung gewesen sein. Möglicherweise wollte er sie einlullen und ihr weismachen, dass es einen Verdächtigen gab, damit sie ihre Vorsicht fallenließ, während er in Wahrheit nur jede kleinste Einzelheit über die Entführung und Richard Umbrios Untaten in Erfahrung bringen wollte. Falls das seine Strategie war, dann hat sie funktioniert, denn sie hat nie Verdacht geschöpft.«
»Er hat dafür gesorgt, dass sie sich auf einen Aspekt der Befragung konzentriert«, ergänzte D. D., »auf die Zeichnung, während sich neunzig Prozent seiner Fragen auf den Überfall und die Gefangenschaft bezogen. Ein Taschenspielertrick.«
Bobby lächelte. »Und kein schlechter. Eine solche Strategie würden wir auch anwenden.«
»Toll – das hat uns gerade noch gefehlt, ein psychopathischer Hurensohn.« D. D. rieb sich die Schläfen. »Besteht die Möglichkeit, dass sich Catherine das alles nur ausgedacht hat? Ich meine, sie hatte ziemlich viel zu sagen über einen FBI-Agenten, den sie nur zweimal vor siebenundzwanzig Jahren gesehen hatte.«
»Das stimmt«, räumte Bobby ein. »Ich denke aber, Mr. Special Agent hat einen großen Eindruck hinterlassen. Dadurch, dass er die Zeichnung von einem Verdächtigen mitgebracht hat und dann so eisern behauptet hat, dass der Mann auf der Skizze der Entführer sein müsse. Seine Reaktion war unerwartet und deshalb unvergesslich. Außerdem – warum sollte sie uns auf eine falsche Fährte führen?«
»Immerhin hat dich das zu einem zweiten Besuch bei ihr veranlasst, oder? Außerdem sichert ihr das weiterhin einen Anteil an unseren laufenden Ermittlungen. Jetzt hat sie immer einen Grund, dich anzurufen, und einen Vorwand, mich zu ärgern. Das würde zu ihr passen.«
Bobby hob die Schulter. »Alles denkbar, nur … Ich glaube, sie mag Annabelle.«
»Oh, ich bitte dich! Catherine hat keine Freunde. Liebhaber vielleicht, aber keine Freunde.«
»Ich bin ein Freund«, erwiderte er.
Ihre hochgezogene Augenbraue verriet, was D. D. davon hielt. »Ich glaube, sie hat die Wahrheit gesagt. Die Erkenntnis, dass der Mann, den sie als aufdringlichen FBI-Agenten in Erinnerung hatte, Annabelles Vater war, hat sie offensichtlich entsetzt und verwirrt. Noch gestern Nachmittag war sie überzeugt gewesen, dass es keinerlei Verbindung zwischen ihrem Fall und Annabelle gab. Heute Morgen hingegen …«
Beide verfielen in nachdenkliches Schweigen.
Schließlich ergriff Bobby erneut das Wort. »Es gibt Möglichkeiten. Entweder hat Granger Catherine benutzt, um mehr über ihre Entführung zu erfahren, ohne dass jemand etwas davon merkte. Oder er hatte tatsächlich einen Verdächtigen im Sinn. Er fertigte eine Zeichnung von dem Mann an, den er für den Vergewaltiger hielt – dafür müsste er allerdings gute Gründe gehabt haben.«
D. D. ließ sich auf seine Theorien ein. »Sagen wir, er hatte einen Verdächtigen im Sinn – wieso hat er dann nicht die Polizei angerufen und den Namen genannt?«
»Keine Ahnung.«
»Also, das war 1980, richtig? Zwei Jahre bevor Grangers Tochter angeblich diese kleinen Geschenke bekommen hat. Weshalb war Granger so besessen von Kriminaltaten?«
»Ein besorgter Bürger?«
»Der es als beste Methode ansah, sich als FBI-Mann auszugeben,
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