Kühlfach vier
passieren, dachte ich und Bingo!, da war es auch schon so weit. Olli heulte. Dicke Tränen liefen über
seine Wangen vor lauter Rührung darüber, dass dieser Wollwichtel sich zu ihm in seine Löwenhöhle traute, um das Auto seiner
Liebsten zurückzuholen. Der fetteste Kerl seit Jabba dem Schwabbelmonster aus Krieg der Sterne glotzt nämlich, wenn er Zeit
hat, den ganzen Tag lang Liebesschmonzetten. Seine private DVD-Sammlung reicht von Stummfilmen in Schwarz-Weiß bis zu Trickfilmen
mit allem dazwischen, was die Tränendrüsendrücker in Hollywood, Bollywood oder sonstwo auf der Welt jemals auf Zelluloid gebannt
haben. Und er glotzt sie alle immer wieder. Und er heult bei jedem Film auch bei der zwanzigsten Wiederholung. Und er liebt
Frauen, die eine Schwäche für Autos haben.
Olli gehört zu den Männern, die sich ihrer Tränen nicht schämen. Er macht aber auch kein Aufhebens darum. Er zog ein gigantisches
Taschentuch aus der Hose, schnodderte hinein und kam zurück zum Thema.
»Du wolltest ein Glücksspiel vorschlagen?«
»Wenn der Autoschlüssel meiner Freundin auf ein Auto passt, das Sie hier haben, dann nehme ich den Wagen mit.«
Martins Hände waren schweißnass, seine Knie schlotterten |168| , aber seine Stimme kam einigermaßen vernünftig rüber. Gut so.
»Einfach so?«, fragte Olli.
»Einfach so«, bestätigte Martin.
Olli drückte eine Taste an seinem Telefon und im nächsten Moment kam Grünbart rein. Er heißt natürlich nicht wirklich so,
aber er hat mal wegen einer Wette fünf Liter Götterspeise mit Waldmeistergeschmack gegessen, die Wettprämie kassiert und fünf
Minuten später alles wieder ausgekotzt. Dabei blieben gewisse Reste in seinem Bart hängen. Wie er richtig heißt, habe ich
vergessen.
Olli streckte die fleischige Hand aus, Martin legte nach einem kurzen Zögern den Schlüssel hinein, Olli reichte den Schlüssel
an Grünbart weiter und raunte ihm einige Sätze ins Ohr. Wir konnten nichts tun, außer zu warten.
Das war der gefährlichste Moment bei der ganzen Aktion. Olli könnte den Schlüssel einsacken und von seinem Kunden einen Aufpreis
dafür verlangen, aber mein Gefühl sagte mir, dass er sich an den Deal halten würde. Tatsächlich wurde nach drei ziemlich langen
Minuten der BMW draußen vorgefahren.
»Komm, wir hauen ab«, sagte ich zu Martin, der die ganze Zeit vor Ollis Schreibtisch gestanden und Blut und Wasser geschwitzt
hatte.
»Moment«, sagte Olli, als Martin sich umdrehte. »Woher wusstest du, dass du mit deinem Glücksspiel gerade hier die Bank sprengen
würdest?«
Martin zuckte die Schultern. »War ’ne Nachricht von Sam«, sagte er. »Danke«, schob er hinterher, erhielt aber keine Antwort,
da Olli schon wieder flennte.
Wir gingen zum Wagen, stiegen ein und fuhren zu Birgit, |169| Birgit überglücklich, Birgit mit Martin wieder zu Olli, wo in einer Seitenstraße immer noch die Ente stand, Martin in Ente
und Birgit in BMW, jeder zu sich nach Hause und alle glücklich und zufrieden. Bis auf mich, mich beachtete mal wieder keiner,
ich hatte Langeweile, und Martin hatte wieder vergessen, den Fernseher einzuschalten.
|170| SECHS
Martins Chef zeigte Verständnis dafür, dass Martin eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit kam. Er nahm ihn zur Seite, fragte
in kollegialem Ton, ob Martin sich denn schon wieder fit genug fühle, um überhaupt zu arbeiten, und das ganze Geseiere. Ich
hörte mir das kurz an und machte mich auf die Suche nach Katrin. Sie war gerade in ein Gespräch mit Jochen vertieft.
»… schon komisch, in den letzten Tagen«, hörte ich sie sagen. »Und jetzt auch noch dieser Überfall. Aber er sagt ja nichts.
Ich fange langsam an, mir Sorgen zu machen.« Aha, es ging um Martin. Die Kollegen redeten schon.
Der, um den es ging, freute sich derweil wie ein Schneekönig, denn an seinem Schreibtisch stand keine Geringere als Birgit.
»… habe ich mir gedacht, schon mal als erstes kleines Dankeschön. Weil du doch mit dem Kopfbügel solche Probleme hattest und
das Kabel dich nervte.«
Auf Martins Schreibtisch lag Verpackungsmaterial für Weihnachten und Ostern zusammen, an seinem rechten Ohr befand sich ein
Headset, das fast die gesamte Ohrmuschel |171| abdeckte und einen Steg nach vorn besaß, an dem vermutlich das Mikro saß. Er sah total scheiße damit aus. Links das Veilchen,
rechts diese Horchprothese, aber Birgit strahlte ihn an. Was für ein Schönheitsideal hatte diese Frau? Die wählte
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