Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
Büro schwebte. Körperloser, selbstloser, ewig währender Liebe.
»Nein«, sagte Martin ins Telefon. »Ich kann Ihnen nicht den Namen des Medikamentes sagen, aber ich kann Ihnen die Wirkstoffe
sagen, und Sie finden dann …«
Martin verdrehte die Augen. Dann musste es schon wirklich schlimm sein, denn normalerweise ist er in seinem Job zwar wahnsinnig
präzise, aber niemals emotional. Verdrehte Augen kommen bei ihm einem Vulkanausbruch gefährlich nahe.
»Aber hören Sie, die Leiche, die aus dem Sektionstrakt gestohlen wurde, hatte auch diesen Stoff im Blut, genau wie der Selbstmörder,
der sich vor den Zug geworfen hat. Außerdem habe ich mich erinnert, dass wir vor einigen Monaten schon einmal so einen Fall
hatten. Einen Selbstmord nach einer Operation, meine ich.«
Kurze Pause, er lauschte.
»Ich weiß nicht, ob der Selbstmord von damals noch bei Ihnen bearbeitet wird.«
Pause.
»In den aktuellen Fällen bin ich mir sicher, ja. Gregor Kreidler hat mir gesagt, dass Sie bei der Suche nach der Identität
des Toten bisher nicht weitergekommen sind, und jetzt habe ich einen neuen Ansatzpunkt, wie man vielleicht seine Identität
herausfinden könnte. Wenn Sie also …«
Er lauschte einen Moment. »Ja, ich schicke Ihnen die toxikologischen Ergebnisse mit einem Anschreiben, in dem ich nochmals
auf diese Verbindung hinweise.« Er legte den Hörer nachdrücklich auf den Apparat.
Kollege Jochen blickte Martin erstaunt an. »Will die Polizei plötzlich keine Hinweise mehr entgegennehmen?«
»Gregor hat Urlaub. Drei Kollegen haben sich heute Morgen krankgemeldet, die anderen sind von der Hitze genauso geschlaucht
wie wir auch. Und da auch die Aggressivität in der Bevölkerung mit der Hitze dramatisch zugenommen hat, sind die Beamten sowieso
überfordert. Um einen unidentifizierten Toten, der noch dazu abhandengekommen ist, kann sich offenbar im Moment niemand kümmern.«
»Und die Sache mit der Haut …«
»Interessiert sie noch viel weniger«, sagte Martin empört.
»Tja, dann nicht«, sagte Jochen und zuckte die Schultern.
»Aber ich habe einen furchtbaren Verdacht wegen dieses Medikaments, und wenn der stimmt, dann stehen uns noch jede Menge ähnlicher
Fälle ins Haus«, sagte Martin.
»Ich höre«, entgegnete Jochen eher mäßig gespannt, aber offenbar einer kurzen Unterbrechung seiner eigenen Arbeit nicht abgeneigt.
»Die Toxis haben in den letzten Tagen bei zwei Leichen einen Medikamentenmix im Blut gefunden. Beide Maleist ein Narkosemittel mit Propofol dabei und außerdem ein starkes Opiat, also Schmerzmittel. Eine der Leichen ist ein Selbstmörder,
der sich vor den Zug geworfen hat. Die andere Leiche wurde erst umgebracht und dann aus unserem Kühlfach geklaut.«
»Und weiter?«
»Was weißt du über die Vollnarkose?«, fragte Martin.
»Wenig.«
»Eine Vollnarkose besteht aus einem Hypnotikum, das den Patienten ruhig stellt, einem Opiat, das sein Schmerzempfinden unterbindet,
und einem Muskelrelaxans, das die Muskeln erschlaffen lässt.«
Jochen nickte.
»Der Wirkstoff Propofol ist ein Hypnotikum und wird in Injektionsnarkosemitteln ganz gern verwendet, weil er relativ gut verträglich
ist und die übliche Übelkeit nach der Narkose weniger stark hervorruft als ein Narkosegas. Bei längerer Anwendung kann es
den Urin grün verfärben. Das hat den Toxis ihre Bestimmung übrigens sehr erleichtert.«
Martin dozierte konzentriert, Jochen nickte amüsiert.
»Vor ein paar Monaten ging aber eine Theorie durch die Fachpresse, dass dieser Wirkstoff in Verbindung mit gewissen Opiaten
Halluzinationen oder Depressionen auslöst.«
Jetzt blickte Jochen etwas interessierter.
Martin hob drei Finger und blickte Jochen mit drängendem Blick an. »Nun haben wir zwei Tote mit fast demselben Wirkstoffmix
im Blut: einen Selbstmörder und einen Mann, der bei einer Messerstecherei ums Leben kam …«
Jochen blickte nachdenklich auf seinen leeren Bildschirm. »Und woran genau denkst du? Dass wir vor einer Welle von Selbstmördern
stehen, die eine postoperative Depression scharenweise auf die Brücken und an dieBahndämme treibt, oder deren Halluzination sich in wilden Messerstechereien entladen wird?«
»So, wie du das sagst, klingt es lächerlich …«, murmelte Martin.
»Eben. Also schreib deinen Bericht und dann lass die Kripo ihre Arbeit machen, während du deine machst. Davon ist mehr als
genug da.«
»Aber wenn da wirklich eine Gefahr für die
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