Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
Ende zu lauschen.
Pause.
»Woran der Mann operiert wurde? Nein, das kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
Pause.
»Außerdem wüsste ich gern, ob Sie eventuell weitere kürzlich operierte Patienten vermissen.«
Kurze Pause.
»Damit meine ich, dass diese Leute nicht zur Nachuntersuchunggekommen sind, sich nicht mehr gemeldet haben, sich nicht die Fäden haben ziehen lassen, solche Dinge.«
Pause. Martin blickte konzentriert auf seinen Block, notierte aber nichts. Er nickte. Nicht sehr clever am Telefon, aber ich
hielt mich zurück.
»Natürlich kann ich Ihnen die Daten von der zuständigen Kriminalpolizei übermitteln lassen. Ich dachte nur, unter Kollegen …«
Kurze Pause.
»Ja, das ist sehr freundlich. Wenn Sie mir dann bitte Ihre E-Mail -Adresse …«
Er kritzelte auf seinem Block herum, dankte und legte auf.
»Nimmst du der Kripo die Arbeit weg?«, fragte ich.
Auf seinem Block standen mindestens zehn E-Mail -Adressen untereinander.
»Die Kripo ist untätig, und ich mache mir immer noch Sorgen wegen der Nachwirkungen dieses Narkosemittels. Wenn dieses besondere
Mittel tatsächlich postoperativ …«
»Moment«, sagte ich. »Ist denn sicher, dass alle diese Leute operiert worden sind? Woher weißt du das von unserem Tatoo-Tata?«
»Von dem weiß ich es nicht mit Sicherheit, weil …«
»Er euch geklaut worden ist, bevor ihr ihn untersuchen konntet«, ergänzte ich.
Martin seufzte. Über diese Schande würde er sein Lebtag nicht hinwegkommen. Schon gar nicht, wenn er diese Sache mit dem Narkosezeug
im Blut nicht aufklären konnte.
»Woher soll er eine Mischung aus Schlaf- und Schmerzmitteln im Blut gehabt haben, wenn nicht von einer Operation?«, fragte
Martin.
Ich stöhnte leise auf. »Es gibt einen schwunghaftenHandel mit Arzneimitteln jeglicher Art, lieber Martin. Das solltest du eigentlich wissen.«
Mein Hinweis zielte auf die Tatsache ab, dass bei mehr als der Hälfte von Martins Kunden irgendwelche Drogen im Blutkreislauf
herumschwappen. Neben Alkohol, den die Schlitzer zu den Drogen zählen (!), ist das auch alles andere, was high, down, breit,
glücklich, laut, wild, leise oder blöd macht. In Blattform zum Rauchen, als Pillen zum Schlucken oder flüssig zum Spritzen.
»Mit dieser Mischung ist hier noch nie jemand aufgetaucht«, murmelte er, während er seine E-Mails durch die Gegend schickte.
Es gibt für alles ein erstes Mal, dachte ich, sagte aber nichts mehr dazu.
»War was los, heute Nacht?«, fragte er geistesabwesend.
»Ein Paar beim Zipfeln in einer Gruft erwischt, ein Pärchen wollte Vampir und Lady spielen, traute sich dann aber doch nicht,
sonst alles ruhig«, berichtete ich. Dass Viktor wieder eingenickt war, verschwieg ich. Ich bin schließlich keine Petze.
Nach seiner Rundmail an alle Krankenhäuser arbeitete Martin eine Zeit lang still vor sich hin, während ich die Mail vom Verlag
las, die er mir ausgedruckt hatte.
Sehr geehrter Herr Dr. Gänsewein,
die von Ihnen angesprochene Diskretion können wir Ihnen selbstverständlich zusichern. Ein Pseudonym ist nichts Ungewöhnliches,
und die Sorge um die Verletzungvon Persönlichkeitsrechten Dritter hätte eine Namensänderung der Romanfiguren sowieso sehr
angeraten scheinen lassen. Insofern sind wir absolut Ihrer Meinung.
Wir würden uns freuen, demnächst mit Ihnen darüber ins Gespräch zu kommen. Rufen Sie doch einfach an. Sie erreichen mich unter
der Durchwahl …
»Martin«, rief ich, »ruf an! Jetzt sofort!«
Martin schüttelte den Kopf. »Ich rufe überhaupt nicht an, solange ich mir keinen Plan für die weitere Vorgehensweise gemacht
habe. Und dazu habe ich im Moment keine Zeit.«
Ich bettelte und quengelte, aber Martin blieb stur. Das kann er inzwischen echt gut.
Ich düste eine Zeit lang durch die Stadt, aber das ist auf Dauer auch langweilig, weil ich ja nirgendwo mitspielen kann. Wobei
das nicht ganz stimmt. Bei unserem letzten Fall im Frühjahr habe ich es geschafft, mich in eine Rundfunkübertragung einzuklinken,
ich habe die Autoelektronik manipuliert und festgestellt, dass ich mich bei manchen Handymodellen genauso zwischen Headset
und Handy mogeln kann wie bei Martins Computerheadset und dem Spracherkennungsprogramm. Eine Zeit lang hatte ich mich mit
solchem Kinderkram unterhalten, aber erstens ist es mühsam, die richtige Kombination von Handy und Headset zu finden, und
zweitens ist es gar nicht so witzig, den Leuten ins Handy zu quatschen. Das
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