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Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Titel: Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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ich morgen« wird jetzt immer öfter und öfter in ihrer ganzen blutigen Realität wiederholt. Leider besitzt diese Redensart der Ganoven keinerlei übertragenen Sinn, keinerlei Relativität.
    Der Hunger zwingt den Ganoven, seinen Freunden von geringerer »Autorität« die Portionen abzunehmen und wegzuessen und sie auf Expeditionen zu schicken, die mit der korrekten Einhaltung der Diebesgesetze sehr wenig gemein haben.
    Überall verschickt man furchtgebietende Briefchen –»Kassiber« – mit Bitten um Hilfe, und wenn es die Möglichkeit gibt, ein Stück Brot zu verdienen, und man es nicht stehlen kann, dann gehen die Kleineren arbeiten, »ackern«. Man schickt sie zur Arbeit wie zum Mord. Für den Mord zahlen keineswegs die Anführer, die Anführer sprechen nur das Todesurteil. Das Töten erledigen die kleinen Diebe und riskieren dabei den eigenen Kopf. Sie töten oder stechen die Augen aus (eine sehr verbreitete »Sanktion« gegenüber den
frajern
).
    In einer schwierigen Lage denunzieren die Diebe einander auch bei den Lagerchefs. Von Denunziationen von
frajern
, »Iwan Iwanytschs«, von »Politikern« ganz zu schweigen. Diese Denunziationen sind der Weg zur Erleichterung des Ganovenlebens, Gegenstand des besonderen Ganovenstolzes.
    Die Rittermäntel fallen ab, und es bleibt die Gemeinheit als solche, von der die Philosophie des Ganoven durchdrungen ist. Logischerweise wendet sich diese Gemeinheit unter schwierigen Bedingungen gegen die eigenen Ordens-Kameraden. Daran ist nichts Verwunderliches. Das unterirdische Reich der Kriminellen ist eine Welt, in der das Ziel des Lebens in der gierigen Befriedigung der niederträchtigsten Leidenschaften besteht, deren Interessen viehisch sind, mehr als viehisch, denn jedes Tier wäre vor jenen Handlungen zurückgeschreckt, die die Ganoven mit Leichtigkeit begehen.
    (»Die schlimmste Bestie ist der Mensch« – die verbreitete Ganoven-Redensart ist ebenfalls wörtlich zu nehmen, als Realität.)
    Ein Vertreter jener Welt kann nicht Seelenstärke beweisen, wenn ihm der Tod oder lange physische Qualen drohen, und er zeigt auch diese Stärke nicht.
    Es wäre ein großer Fehler, zu denken, dass die Begriffe »trinken«, »feiern«, »ein ausschweifendes Leben führen« dieselben sind wie die entsprechenden Begriffe in der Welt der
frajer
. Aber ach! Bei den
frajern
wirkt alles extrem züchtig im Vergleich zu den wilden Szenen des Ganovenlebens.
    In den Krankensaal zu den – kranken – Ganoven (natürlich Simulanten und Aggravanten) erscheint (auf Bestellung oder auf eigene Initiative) irgendeine tätowierte Prostituierte oder »Elster« , und nachts versammelt sich (nachdem man den diensthabenden Sanitäter mit dem Messer bedroht hat) um diese neuerschienene heilige Theresa eine Gesellschaft von Ganoven. Alle, die »Gaunerblut« haben, dürfen an diesem »Vergnügen« teilhaben. Wenn man sie festhält, erklärt sie ohne Verlegenheit und ohne rot zu werden, sie sei »gekommen, um den Jungs beizuspringen – die Jungs haben gebeten.«
    Die Ganoven sind alle Päderasten. Jeden angesehenen Ganoven umflattern im Lager junge Männer mit verquollenen trüben Augen: die »Sojkas«, »Mankas« und »Verkas« – die der Ganove aushält und mit denen er schläft.
    In einer Lagerabteilung (in der nicht gehungert wurde) hatten die Ganoven eine Hündin gezähmt und verführt. Sie fütterten sie, streichelten sie, und dann schliefen sie mit ihr wie mit einer Frau, offen, vor den Augen der gesamten Baracke.
    An die Möglichkeit der Alltäglichkeit solcher Fälle will man nicht glauben wegen ihrer Ungeheuerlichkeit. Aber das ist – Alltag.
    Es gab ein Frauenbergwerk, ein dichtbelegtes, mit schweren »Stein«arbeiten und Hunger. Dem Ganoven Ljubow war es gelungen, dort Arbeit zu bekommen.
    »Ach, ein wunderbares Leben hatte ich im Winter«, erinnerte sich der Ganove. Dort geht, ganz klar, alles gegen Brot, gegen die Ration. Und der Brauch, die Abmachung sah so aus: du gibst ihr die Ration in die Hand – iss! Solange ich mit ihr bin, soll sie diese Brotration essen, und was sie nicht schafft – nehme ich ihr wieder weg. Am Morgen bekomme ich diese Brotration – und ab damit in den Schnee! Ich lasse die Ration gefrieren – viel wird die Alte nicht abnagen von dem gefrorenen Brot …«
    Man kann sich natürlich schwer vorstellen, dass einem Menschen so etwas in den Sinn kommt.
    Aber an einem Ganoven ist auch nichts Menschliches.
    Im Lager gibt man den Häftlingen ein wenig Geld in die Hand,

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