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Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Titel: Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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DiebstahI), vom heroischen Auftreten des Ganoven hingerissen, begeistert ist. Diese Geschichte ist die reine Phantastik, von Anfang bis Ende erfunden (»Wenn du es nicht glaubst, nimm es als Märchen!«).
    All diese »schnurgeraden Bündel des heißersehnten Geldes«, Brillanten, Gelage und besonders die Frauen – all das ist ein Akt der Selbstbestätigung, und Lügen gilt hier nicht als Sünde.
    Und auch wenn es statt des grandiosen Gelages in der »Spelunke« nur einen kleinen Krug Bier im Sommergarten gab, auf Pump erbettelt – diese Lüge war unwiderstehlich.
    Der Erzähler ist schon »geprüft« und kann lügen, soviel er will.
    Die fremden, in einer Gefängnisetappe gehörten Großtaten eignet sich ein begeisterter Aufschneider an, und seine Zuhörer geben, die Farben verzehnfachend, ihrerseits das fremde Abenteuer als das eigene aus.
    So erzeugt man Kriminalromantik.
    Dem Jüngling, manchmal dem Jungen, braust der Kopf. Er ist begeistert, er will seinen lebenden Helden nacheifern. Er dient ihnen als Laufbursche, hängt an ihren Lippen, passt ihr Lächeln ab, fängt jedes ihrer Worte auf. Eigentlich kann dieser Junge im Gefängnis auch nirgends unterschlüpfen als bei den Dieben, denn Veruntreuer und Leute, die gegen die Gesetze des Dorfes verstoßen haben, wenden sich von solchen Jungdieben, den künftigen Rückfalltätern, ab.
    Diese prahlerischen Lobpreisungen der eigenen Person besitzen zweifellos einen gewissen ästhetischen Sinn, ähnlich dem der schönen Literatur. Wenn die literarische Prosa des Ganoven der »Róman« ist, das auswendig dargebotene Werk – dann sind derartige Gespräche eine Art mündliche Memoiren. Hier werden nicht technische Fragen von Diebesoperationen besprochen, sondern inspiriert erzählt, »Wie Kolka Smech den Soldaten umgelegt« oder »Wie Katkadie-Elster den Staatsanwalt persönlich abgefilzt« hat, kurz – in einer ruhigen Minute Erinnerungen ausgetauscht.
    Ihre zerstörende Bedeutung ist gewaltig.
    1959

Sergej Jessenin und die Welt der Diebe
    Alles Mörder oder Diebe
    wie’s das Los beschert
    Schwermutsblicke – ihr geliebten
    Wangen – ausgezehrt!
    Schadenfrohe Mörderherzen:
    mörderisch und schlicht.
    Blaue Münder im geschwärzten
    zuckenden Gesicht!
    Die Etappe, die nach Norden ging durch die Dörfer des Ural, war eine Etappe aus der Literatur – so ähnelte alles dem bei Korolenko , bei Tolstoj , bei Figner, bei Morosow Gelesenen … Es war Frühjahr 1929.
    Betrunkene Begleitposten mit wahnsinnigen Augen, die Kopfnüsse und Ohrfeigen verteilten, und jeden Augenblick das Klacken der Gewehrverschlüsse. Der Sektierer und Fjodorow -Anhänger, der die »Drachen« verfluchte; das frische Heu auf dem Lehmboden der Scheunen in den Etappen-Hütten; geheimnisvolle tätowierte Menschen in Ingenieursmützen, endlose Appelle, Antreten und Durchzählen, Durchzählen, Durchzählen …
    Die letzte Nacht vor der Fuß-Etappe ist die Nacht der Rettung. Und beim Anblick der Gesichter der Kameraden wunderten sich die, die Jessenins Gedicht kannten, und 1929 waren das nicht wenige, über die erschöpfend genauen Worte des Dichters:
    Blaue Münder im geschwärzten
    zuckenden Gesicht!
    Alle hatten wirklich blaue Münder und schwarze Gesichter. Alle verzogen die Münder – vor Schmerz, von den zahlreichen blutenden Rissen in den Lippen.
    Einmal, als das Gehen aus irgendeinem Grund leichter war oder der Streckenabschnitt kürzer als die anderen – um soviel, dass alle sich noch bei Licht schlafen legen und ausruhen konnten –, hörte man aus der Ecke, wo die Diebe lagen, ein leises Singen, eher ein Rezitativ auf eine selbstgemachte Melodie:
    Nein, du liebst mich nicht, bleibst eine Fremde …
    Der Dieb sang die Romanze zu Ende, die viele Zuhörer fand, und sagte aufgeblasen:
    »Sie ist verboten.«
    »Das ist Jessenin«, sagte irgendjemand.
    »Von mir aus Jessenin«, sagte der Sänger.
    Schon damals – erst drei Jahre nach dem Tod des Dichters – war seine Popularität in Ganovenkreisen sehr groß.
    Er war der einzige »akzeptierte« und »eingeführte« Dichter bei den Ganoven, die eigentlich keine Gedichte mögen.
    Später machten ihn die Ganoven zum »Klassiker« – sich respektvoll über ihn zu äußern gehörte unter Dieben zum guten Ton.
    Solche Gedichte wie »Verström, Harmonika« , »Wieder saufen sie, seufzen, krakeelen« kennt jeder gebildete Ganove. Der »Brief an die Mutter« ist sehr bekannt. Die »Persischen Motive« , die Poeme, die frühen Gedichte kennt

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