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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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seines sinken, vermischte ihre Lippen mit seinem Fleisch, und in seinen Mund, der das Gift hatte empfangen sollen, flössen ihre Tränen.
    „Ich liebe dich! Ich will dir dienen, ich danke ab, ich bin nicht mehr die Branzilla! Hörst du mich? Küsse mich! Ein Kuß von dir ist mehr als alle Herrschaft, alle Himmel!"
    Da gingen seine Lider auf; sie riß sich zurück. Sie wich und bekreuzte sich, bis an die Wand, erwartete atemlos, daß er wieder schlafe - und brach in die Knie und schlug die Stirn gegen den Fußboden.
    „Nun verstehe ich dich, Herr. Du hast mich versucht und schwach gefunden. Ich war dir zu hoch gestiegen, da schicktest du mir diesen. Ich muß ihn lieben, er verdirbt mich und ist unantastbar. Dein Wille geschehe." Aber sie schnellte auf aus dem Staube. „Gib mir ein Zeichen, daß die Prüfung nicht immer dauern soll! Daß ich des Feindes Herr werden soll! Wo nicht, laß mich sterben! Auch du, Herr-" Sie ging auf den Knien bis unter den Kruzifixus. „- auch du ersehntest das Ende deiner Marter. Und von deinen Wunden hast du keine mehr vor mir voraus. Sage, daß du ihn zu deiner Zeit schlagen wirst und verderben und mich erhöhen! Gib mir das Zeichen!" Fahler Morgen traf sie in die Augen; sie schloß sie. Ihre Stirn war kalt vom Schweiß. Ihr Mund krümmte sich zuckend nach unten. Ihre erhobenen Hände waren inein-andergekrampft und zitterten. Plötzlich ein Schrei: gellend, entsetzensvoll.
    „Du hast mich geküßt! Mit meiner Stirn habe ich deine Leichenlippen gefühlt!"
    Und sie sank zusammen und weinte.

VI
    „Neigt Euer Ohr, Vater! Ja, ich komme spät; dahinten im dämmerigen Schiff kniet höchstens noch ein Bettler; aber wir können nicht leise genug flüstern. Wißt Ihr, von welcher Sünde Ihr mich freisprechen sollt? Von derselben, die Sankt Petrus an unserm Herrn beging. An seinem Vertreter auf Erden begehe nun ich sie; ja, ich will unsern Herrn Papst verraten! Ich will vor seinem Henker, dem König, die Aida singen... Ich dürfe es nicht, sagt Ihr? Um meiner selbst willen nicht; denn alle Ehre in Rom komme mir von Seiner Heiligkeit, die mich so oft in ihrem Vorzimmer singen läßt, die mir Gnadengeschenke und Orden gibt, ja, die mit ihrer heiligen Person mein Haus beglückt? Das ist noch nicht alles, Vater; Ihr wißt nicht alles. Ehre habe ich auch draußen, wo nicht Seine Heiligkeit befiehlt. Ich bin die Branzilla, auch draußen. Aber ich habe einen Schwur auf mir, einen Glauben, eine Pflicht. Hört mich! Dies ist eine Sache um Leben und Tod.
    Ihr seid nicht jünger als ich. Ihr werdet wissen, daß an dem Tage, als die Branzilla zum erstenmal vor Rom hintrat, Rom in Revolution war. Die Liberalen wollten mich hindern zu singen. Ich glaube, daß Gott die Revolution nur darum zugelassen hat, daß mein Weg dorniger, meine Ankunft glänzender und ihm gefälliger sei. Sie hatten verbreitet, daß ich im Hause des Fürsten Rupa meine Stimme erhebe, um ihre Verschwörung zu übertönen. Ich war in höchster Gefahr, in den Kerker geworfen zu werden, an eben dem Abend, da ich zuerst mich hören lassen sollte! Aber ich entging ihren Netzen und ließ sie statt meiner den Rupa fangen. Wie sie dann im Theater gewütet haben! Wie ich kämpfen mußte, sie zu erobern, ihnen ihre Kraft zu nehmen, diesen tausend Geliebten! Denn ja, ich liebte sie, wie Dalila den Simson!... Damals, Vater, während jenes Ringens, habe ich mich für immer der Partei des Papstes versprochen. Ihr seid wenige, und ihr liebt die Menschen nicht. Aber auch ich liebe sie nicht und will nicht ihre Gemeinschaft. Ich war euer, ich war des Papstes, ich hatte das Glück, ihm nützen zu können. An den Höfen da und dort konnte ich einige Worte sprechen, die sein Geschäft besorgten; konnte mehrere schwärmerische Seelen zu seinem Vorteil stimmen. Und jedesmal nachher sang ich besser. Immer, wenn Seine Heiligkeit oben war, fühlte auch ich mich oben. Ich zitterte, sang ich in London, um den Kirchenstaat, und daß die Italiener, noch ehe mein Gastspiel zu Ende sei, in Rom einbrächen... Nun sind sie eingebrochen. Ihr versteht mich kaum, so widerlich gellen draußen die Hörner ihrer Bersaglieri... Sie sind vorbeigelaufen mit ihren Fahnen, mit dem dummen Jubel des Volkes. Was nun, Vater? Ich hatte alles auf die Sache des Papstes gesetzt, und er ist geschlagen. Ich werde also vor seinem Sieger singen. Sprecht mich frei! Ihr wollt nicht? Ihr sagt, mein Verrat sei Todsünde? Unser Herr Papst habe die Seinen nie nötiger gehabt als jetzt? Laßt!

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