Kuenstlernovellenovellen
gut singen werde. Ich werde einfach aus diesem Tode aufwachen in meinem eigenen Himmel. Jetzt ist Dunkel und Tod: plötzlich entbrennen alle Lichter. Ich werde leben!. .. Nun bin ich ruhig und gefeit. Nun will ich arbeiten. Ich will in meinem Geist das Gebäude von Tönen errichten; will lautlos singen...'
Aber sie fühlte alles mißlingen und eine geheime Zerstreuung ihrer Kraft.
,Es ist nichts; es ist nur der Körper. Er ist krank, er sträubt sich. Ich habe ihn noch immer besiegt. Ruhe! Ich bin eine Schülerin und habe singen zu lernen. Denn der Geist erwächst aus der Technik.' Sie stand auf und machte sich an Übungen. ,Alle Kraft muß in der Lippe sein, der Hals ganz weich, wie tot...'
In der verstreichenden Nacht versteifte sie sich und hielt kaum noch stand. Dieser Druck um die Mitte des Rumpfes begann, der sie niederzog; diese Angst des Herzens. Sie lag, das erschlaffte Gesicht in den Händen, über dem Flügel und betete. Draußen entstand ein Poltern; etwas Weiches fiel gegen die Tür. Sie öfFnete und empfing den taumelnden Körper des Trunkenen schwer gegen ihre Brust. Heftig warf sie ihn hin. Nun stand sie über ihm, atmete kurz und schüttelte die Hände. „Mich ekelt's, ihn anzufassen, und ich habe mit ihm geschlafen,- und habe ein Kind von ihm! Rom weiß es. Jetzt kommt er von anderen Weibern; Rom weiß auch das. Unser beider Unehre ist der Welt geläufig wie unser gemeinsames Vergnügen. Und ich bin die Branzilla! Wie ich ihnen fern war, einst! Wie ich bei mir selbst war, allein und rein! Das soll nie wieder kommen? Allein und rein sein!... Du möchtest trinken, Lieber? Da, ich mische dir etwas: es wird dich für immer zufriedenstellen. Nimm!... Nein! Gib her! ich kann nicht. Gott will nicht, daß ich's tue. Ich verstehe Gott nicht."
Das Glas, das sie hinsetzte, funkelte böse im Mondlicht. Sie raffte einen Vorhang über ihr Gesicht. Grabdunkel war's und still. Nur der sorglose Atem des Schläfers. ,1hm ist wohl. Ihm war wohl, als er trank, als er Frauen umarmte; ihm wird wohl sein, wenn er morgen den The-seus singt - den er nicht gelernt hat. Mich sprengt das Klopfen dieses Herzens, das der Kampf um Ariadne toll und ohnmächtig gemacht hat. Ich habe Martern gehabt, indes er Vergnügen hatte. Und er soll mich auch noch einholen, mir vorauskommen? Ich war matt als Clelia. Ich werde eine kranke Ariadne sein. Wer anders als er macht mich krank! Lauter Unwürdiges legt er mir auf, hundert weltliche Gedanken, die mich dem Heiligen entfremden und mich verbrauchen. Meine Ermüdungen nähren ihn. Er fühlt sich schwellen, je blasser ich neBen ihm werde. Nach meinem Untergang wird er ins unermeßliche wachsen. Das ist nicht zu ertragen! Er, den ich zu mir heraufzog! In dessen Hände ich meine Einsamkeit abdankte! Dem ich meine erarbeiteten Schätze verriet! Er, mein Geschöpf! Nie ward einem menschlichen Wesen so Schlimmes erdacht. Nicht von dir, mein Gott: von deinem Widersacher! Du wolltest mich groß; du befiehlst mir, zu verderben, was mich anficht!' Sie legte das Glas an den Spalt in den Lippen des Schläfers. ,... Er ist ein Künstler. Ich töte einen Künstler. Nicht ein Geschöpf, das dem Vollkommenen feind ist wie jene Amati; keins, das Gott aufhält: nein, den Freund des Vollkommenen, den Gott höher vielleicht weihte als mich. Ich diene, töte ich ihn, nicht mehr Gott: nur einem Götzen, nur mir. Dann verwirft er mich, dann ist's aus mit mir, und nie mehr ersing' ich mir den Himmel.'
Es dämmerte; schaudernd schob sie das erblindende Glas fort.
„Also nichts. Ich vermag gegen ihn nichts. Ich muß ansehen, daß er das Leben hat und die Kunst obendrein -der ich mich opfere; daß er spielt, wo ich mich zerquäle, und dennoch groß wird. Wie ich ihn hasse! Wie ich ihn zerstören, ihn in mich hineinrafFen möchte, daß ich all seins zu meinem hinzuhätte!DaswäreReichtum:mein innerer Herd und das, was diesem die Welt gibt. Nun aber muß er vom Leben, dem ich nicht gewachsen bin, immer reicher werden, und ich muß in mir selbst verkohlen und langsam erkalten. Gott, ich beuge mich. Du, ich bitte dir ab. Ich bin nicht groß genug, dich zu verachten: ich beneide dich nur. Ich sehne mich aus meiner Heiligkeit nach deinem gemeinen Wandel, nach deiner Gutherzigkeit und Niedrigkeit, nach deinem Schmutz, nach deinem gewöhnlichen Schmutz. Ich liebe dich! Immer liebte ich dich aus Sehnsucht nach Erniedrigung, guter, warmer Erniedrigung!"
Sie ließ, die Arme in die Luft gebreitet, ihr Gesicht auf
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