Küss mich, bis der Sommer geht (Bianca) (German Edition)
Vater Alzheimer festgestellt hatte. Ja, er wusste ganz genau, was es bedeutete, die Last der Verantwortung für eine ganze Familie auf seinen Schultern zu tragen. Und darum war er inzwischen richtig froh darüber, Emily und Sam bei sich aufgenommen zu haben.
Ein Problem gab es allerdings dabei: Immer, wenn sie in seiner Nähe war, wenn er ihren süßen Duft einatmete und ihre Stimme hörte, spürte er eine unerklärliche Anspannung in sich. Warum bloß?
„Ach, ich glaube, wir haben hier eine gute Regelung gefunden“, sagte er und merkte, wie abgedroschen das klang. Aber er hatte das Gefühl, irgendetwas sagen zu müssen. Schon um gegen den Impuls anzukämpfen, Emily in seine Arme zu nehmen und zu küssen. Das würde nur zu Komplikationen führen. Und die konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen.
„Das denke ich auch“, stimmte sie ihm zu.
Allmählich näherten sie sich wieder dem beleuchteten Haus. Jetzt, wo die Dunkelheit sie beide nicht mehr umschloss, fühlte Luke sich plötzlich befangen. „Vielen Dank dafür, dass Sie mir Ihre Geschichte erzählt haben“, sagte er. „Das war bestimmt nicht leicht für Sie.“
„Ich finde, dass Sie das ruhig wissen sollten. Immerhin haben Sie uns in Ihr Haus aufgenommen, obwohl wir vollkommen fremd für Sie sind und ohne sich sicher sein zu können, ob Sie sich mit uns vielleicht Ärger einhandeln. Nein, keine Angst“, fügte sie schnell hinzu. „Rob wird bestimmt nicht herkommen, um uns zu holen, dafür sind wir ihm nicht wichtig genug.“
Emily sagte das in einem Tonfall, als wäre ihr das, was sie und Sam erlebt hatten, inzwischen völlig egal. Aber Luke wusste, dass das nicht stimmte. Was für ein komischer Vater, dachte er. Jemand, der seinen Sohn liebt, interessiert sich doch auch für ihn und blieb mit ihm in Kontakt, oder? Und wie man eine Frau wie Emily einfach so verlassen konnte, verstand er auch nicht.
„Es tut mir wirklich leid“, sagte er, und genau so meinte er es auch.
„Mir auch.“ Sie seufzte. „Vielleicht erzählen Sie mir ja auch mal etwas über sich.“
„Ach, da gibt’s nicht viel zu erzählen.“
Sie lachte, und auf einmal fühlte er sich nicht mehr ganz so befangen. „Na, ob ich das glauben kann. Für mich sieht’s so aus, als wollten Sie Ihre Familiengeschichte lieber für sich behalten.“ Das sanfte Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Er sah, dass sie grinste. „Aber das müssen Sie auch nicht. Jedenfalls ist es sehr nett und großzügig von Ihnen, dass wir beide bei Ihnen wohnen dürfen.“
„Nett und großzügig – so hat mich ja noch nie jemand bezeichnet“, erwiderte er, während sie nebeneinander die Kiesauffahrt hochgingen. „Die meisten halten mich eher für pragmatisch.“ Das musste er auch sein, schließlich hatte er mit gerade einmal zwanzig Jahren ganz allein die Verantwortung für seine Schwestern und die Ranch übernehmen müssen. In dem Alter hatten junge Männer üblicherweise ganz andere Dinge im Kopf.
„Bereuen Sie manchmal, Ihr Pharmaziestudium nicht abgeschlossen zu haben?“, erkundigte er sich.
Emily legte eine Hand auf das Holzgeländer der Verandastufen und sah zu ihm hoch. „Als meine Ersparnisse fast aufgebraucht waren, habe ich es schon ein bisschen bereut. Aber manchmal kommt eben alles anders, als man denkt, und alte Träume werden von neuen abgelöst. Ich war fünf Jahre lang zu Hause, um mich um Sam und den Haushalt zu kümmern. Dabei habe ich gemerkt, dass ich das gut mache und darin aufgehe. Wenn ich auch noch berufstätig gewesen wäre, hätte ich für vieles gar keine Zeit gehabt. Gerade für die kleinen Dinge, die mir besonders wichtig sind.“
„Denken Sie denn manchmal darüber nach, doch noch mal zur Uni zu gehen?“
Sie hielt kurz inne. „Ja, manchmal. Aber dann würde ich nicht unbedingt Pharmazie studieren, sondern ein anderes Fach. Irgendetwas, das mir mehr liegt. Ich weiß bloß noch nicht, was.“
Einige Sekunden lang schauten sie einander schweigend an. Lukes Blick fiel auf ihre Lippen, dann schaute er ihr wieder in die Augen. Was war bloß mit ihm los? Lag es vielleicht am Mondlicht oder daran, dass ihre Locken so verführerisch ihren Hals umspielten? Oder etwa an ihrer sanften Stimme, die in ihm den Wunsch entstehen ließen, Emily zu küssen? Und das schon zum zweiten Mal innerhalb von zehn Minuten.
Eine völlig verrückte Idee! Mindestens ein Dutzend guter Gründe sprach dagegen. Aber die Vorstellung ging ihm trotzdem nicht mehr aus dem Kopf.
„Tja, Mr Evans,
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