Küss mich, bis der Sommer geht (Bianca) (German Edition)
oder ein Haus in Calgary, und vermutlich unterstützt Sams Vater Sie finanziell. Warum also haben Sie ausgerechnet hier eine Stelle angenommen?“
Warum musste er ihr gerade jetzt diese Fragen stellen? Eigentlich hatte sie beschlossen, nicht mehr von Rob zu sprechen. Andererseits merkte sie, dass dieses Kapitel ihres Lebens innerlich noch nicht abgeschlossen war. Vielleicht war es ganz gut, wenn Luke wusste, was passiert war. Und irgendwie hatte sie das Bedürfnis, ihm zu zeigen, dass sie bei allem immer stark geblieben war, dass sie gekämpft hatte: erst für ihre Familie, dann für ihre Unabhängigkeit. Auf gar keinen Fall wollte sie vor ihm als schwaches Opfer dastehen.
„Ich war lange Zeit Hausfrau und Mutter“, begann Emily. „Davor habe ich als medizinisch-technische Assistentin den Unterhalt für uns beide verdient. Rob studierte damals noch. Nach seinem Abschluss wollten wir es umgekehrt machen: Rob wollte sich eine Stelle suchen, und ich sollte mein Pharmaziestudium zu Ende bringen. Aber dann bin ich schwanger geworden, und Rob meinte, er würde auch alleine genug Geld für die ganze Familie verdienen. Ich bräuchte gar keinen Abschluss, sondern könnte einfach zu Haus bleiben und mich um Sam und den Haushalt kümmern.“
Emily zuckte mit den Schultern. „Na ja, damals fand ich das absolut großartig. Sam hat mein ganzes Leben verändert. Ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als den ganzen Tag für ihn da zu sein und uns allen ein kuscheliges Zuhause einzurichten. Und ich war sehr dankbar dafür, diese Möglichkeit zu haben. Wobei mir absolut klar ist, dass das nicht jede Frau so sieht.“
Die Erinnerung an diese Zeit versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. Am Anfang hatte es so ausgesehen, als wäre Rob genauso begeistert von dieser Regelung wie sie selbst. Doch dann hatte sich herausgestellt, dass er damit auf Dauer doch nicht zufrieden war. Emily hatte lange gebraucht, um das zu erkennen … zu lange. Denn auf ein Mal war es zu spät gewesen. „Am Ende hat er mich verlassen.“
Verstohlen schaute sie zur Treppe. Um diese Zeit schlief Sam zwar normalerweise längst. Aber was, wenn er doch noch wach im Bett lag. Auf keinen Fall sollte er mitbekommen, was sie sagte.
Luke folgte ihrem Blick. „Sie möchten nicht, dass Sam Sie hört, stimmt’s?“
Emily nickte. „Ja. Er musste so viel durchmachen, und er ist immer ganz aufgewühlt, wenn wir von seinem Dad sprechen.“
„Er glaubt, dass sein Vater ihn nicht mag.“
Sie fuhr herum. „Wie bitte?“
„Das hat er mir erzählt. Er meinte, ich würde ihn wohl nicht mögen, genau wie sein Vater, aber das sei ihm egal. Er komme auch so zurecht.“ Luke sah sie aufmerksam an. „Gut, er ist noch ein Kind und sieht die Dinge wahrscheinlich etwas verzerrt. Trotzdem hat mich das nachdenklich gemacht. Ist bei Ihnen alles so weit in Ordnung?“
Emily konnte nicht auf seine Frage antworten. Sie war viel zu sehr mit ihren Gedanken um Sam beschäftigt. Glaubte er das etwa wirklich? Dass sein Vater ihn nicht liebte? Diese Vorstellung machte sie gleichzeitig wütend und traurig.
„Es tut mir leid, dass er Ihnen das erzählt hat“, sagte sie leise.
„Das braucht Ihnen nicht leidzutun. Mir tut es leid, dass er diesen Eindruck hat. Sam ist ein toller Junge, und Sie kümmern sich ganz wunderbar um ihn. Als alleinerziehende Mutter haben Sie es ja nicht gerade leicht.“
Sein aufrichtiges Interesse an ihr und ihrem Sohn berührte Emily. „Vielen Dank. Ich mache mir trotzdem immer wieder Sorgen, ob er von mir auch alles bekommt, was er braucht. Wissen Sie, was ich meine?“
„Sie tun bestimmt Ihr Bestes.“
Emily lehnte sich gegen den Tresen und sah zu Luke hoch. Irgendwie genoss sie das Gefühl, mit jemandem zu reden, der sie zu verstehen schien. „Na ja, im Moment kann ich uns beide kaum ernähren“, gab sie zu.
Überrascht blickte er sie an. „Wirklich? So schlimm?“
„Ich glaube, wir gehen lieber nach draußen, wenn wir weiterreden wollen“, schlug sie vor. Sie wollte nicht Gefahr laufen, dass Sam ihr Gespräch mithören konnte. Und außerdem brauchte sie dringend frische Luft. Luke stand schon wieder viel zu dicht neben ihr.
Draußen setzte sich Emily auf die oberste Verandastufe und blickte in die Abenddämmerung. Seit ihrer Ankunft auf der Ranch vor zwei Tagen hatte sich Luke ihr gegenüber meistens überaus ablehnend und reserviert verhalten. Aber heute Abend war alles anders. Heute kam er ihr wie ein Freund vor. Und das, obwohl
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