Küss mich, bis der Sommer geht (Bianca) (German Edition)
nach oben taten ihr schon die Arme weh: Ihr Sohn war inzwischen ganz schön groß und entsprechend schwer geworden. Als sie ihn aufs Bett legte, war sie völlig außer Atem. Emily zog Sam den Schlafanzug an, deckte ihn zu und ging wieder nach unten. Auf der Treppe sah sie, dass in der Küche Licht brannte. Wartete Luke auf sie?
Zögernd blieb Emily stehen. Was würde passieren, wenn sie jetzt zu ihm ginge? Sie wollte jetzt nicht mit ihm reden. Es machte ihr Angst. Angst, dass es nun nicht mehr so unbeschwert und harmonisch zwischen ihnen sein würde wie in den vergangenen Tagen. Und genauso hatte sie Angst vor dem, was passieren könnte, wenn er sie noch einmal küsste … Was, wenn es nicht bei einem Kuss bleiben würde … wenn sie weiter gingen. Viel weiter. Sie stellte sich vor, wie er sie in sein Schlafzimmer trug, wie sie sich gegenseitig auszogen, wie sie seine nackte Haut an ihrer spürte … nur ein Mal …
Nein, es war zu gefährlich! So viel wollte sie von sich nicht geben und auch nicht empfangen.
Mit leisen Schritten ging Emily wieder hoch in ihr Zimmer, zog sich ihr Nachthemd an und schlüpfte unter die weiche Decke.
Einige Minuten später hörte sie, wie Luke die Treppe heraufkam. Direkt vor ihrer Tür blieb er stehen. Emily hielt den Atem an, das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Doch dann ging er weiter in sein Zimmer. Sie konnte durch die Wand hören, wie er sich ins Bett legte: nur wenige Zentimeter von ihr entfernt und gleichzeitig unerreichbar weit weg.
Emily lag noch lange wach. Immer wieder dachte sie daran, wie Luke sie geküsst hatte, und lauschte ebenso ängstlich wie hoffend, ob Luke vielleicht doch noch aufstehen und zu ihr herüberkommen würde. Und die ganze Zeit fragte sie sich, was sie eigentlich wollte.
Die Morgensonne stand schon hoch am Himmel, als Luke den Blick über die Viehherde schweifen ließ. Das kastanienbraune Fell seines Reitpferdes glänzte in der Sonne. Caribou warf den Kopf zurück, offenbar wurde der Wallach allmählich ungeduldig und wollte weiter.
Luke hatte sich schon früh am Morgen auf den Weg gemacht, um die Zäune zu überprüfen und nach seinen Rindern zu sehen.
Dabei hatte er viel Zeit zum Nachdenken gehabt.
Unruhig trat Caribou auf der Stelle. Luke gab nach und lenkte ihn zum Sandweg zwischen den Weideflächen. Der Wallach musste sich mal so richtig auspowern, um seine überschüssige Energie loszuwerden. Das würde Luke wohl auch ganz gut tun. Er fühlte sich bis zum Äußersten angespannt, und das alles wegen Emily. Emily mit ihrem glänzenden dunklen Haar, den großen braunen Augen und dem sanften Lächeln. Und ihrer unendlich zarten Haut …
Er umklammerte die Zügel noch fester. Was war gestern beim Feuerwerk eigentlich in ihn gefahren, dass er sie einfach so geküsst hatte? Direkt vor den Augen seiner Familie und der halben Stadt! Jetzt ließen seine beiden Schwestern bestimmt nicht mehr locker mit dem Thema. Natürlich würden sie wissen wollen, ob Emily denn nun endlich „die Richtige“ für ihn sei. Und dass er ihnen schon zigmal gesagt hatte, es werde nie eine Mrs Evans für ihn geben, würde daran auch nichts ändern. Denn an dieser Überzeugung hatte sich nichts geändert.
Aber warum hatte er Emily dann geküsst? Was wollte er eigentlich von ihr?
Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass sie ihn verzaubert hatte. Und dass er gestern einfach seinem Gefühl gefolgt war, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.
Und jetzt redete sie nicht mehr mit ihm. Gestern Nacht war sie sofort in ihrem Zimmer verschwunden, und heute Morgen hatte sie unter dem Vorwand, Sams Sachen für das Ferienprogramm zusammenpacken zu müssen, nicht einmal mit ihm gefrühstückt.
Luke galoppierte den Sandweg entlang, bis die Gebäude der Ranch in Sichtweite kamen. Dann ließ er Caribou langsamer werden. Die Sonne blendete ihn, dennoch sah er sie sofort: Emily! Sie öffnete das Gatter und kam ihm entgegen, in beigefarbenen Shorts und einem roten T-Shirt. Weil sie eine Sonnenbrille trug, konnte er ihre Augen nicht sehen, aber das war auch nicht nötig. An der Art, wie sie die Schultern hielt, und an ihren zusammengekniffenen Lippen erkannte er, dass etwas passiert war.
Er trieb sein Pferd an und galoppierte in einer kleinen Staubwolke zum Gatter. Seit dem Kuss war Emily ihm ausgewichen. Wenn sie ihm jetzt so eilig entgegenkam, musste es einen guten Grund dafür geben.
„Was ist denn los?“, rief er ihr zu.
Sie hob den Blick und nahm die Sonnenbrille ab.
Beim
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