Küss mich, Cowgirl!
“Hier!” Er drückte seinem Assistenten den Becher in die Hand und sprang aus dem Bett. Er musste sich davon überzeugen, dass mit ihr alles in Ordnung war. Auch wenn er wütend auf sie war und sie nicht haben konnte, so wollte er doch nicht, dass es ihr schlecht ging.
“Ich hörte, du seist krank.”
Toni sattelte gerade ein Pferd, als Simons Stimme sie aufblicken ließ. Mit den dunklen Ringen unter den Augen und seiner unglücklichen Miene sah er selbst nicht sonderlich fit aus.
“Wer immer das verbreitet hat, irrt sich.”
Er musterte sie. “Du siehst heute Morgen tatsächlich nicht wie das blühende Leben aus. Geht es dir wirklich gut?”
“Ich bin kein empfindliches Treibhauspflänzchen!”, fuhr sie ihn an. “Tut mir leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich benehme mich heute jedem gegenüber wie ein Miststück.”
Simon verschluckte sich fast an seinem Lachen. “Du könntest nie ein echtes Miststück sein, und wenn du dir noch so viel Mühe gibst.” Er schaute sich um. “Wir können hier nicht reden. Wie wäre es, wenn wir uns einen ruhigen Ort suchen?”
“Nein!” Ihre Augen blitzten zornig. “Es gibt nichts mehr, worüber wir reden müssen.”
“Verdammt!” Erneut stieg die Frustration in ihm auf. “Wir können es doch nicht einfach dabei belassen, wie es jetzt ist.”
“Wir können und wir werden.” Sie schaute an ihm vorbei, um die anderen Gäste zu begrüßen. “Hallo, Leute. Seid ihr bereit für den morgendlichen Ausritt?”
“Und ob.” Marilee, Lora und Dylan registrierten verwirrt Simons finstere Miene und Tonis breites Lächeln.
“Ist alles in Ordnung mit euch beiden?”, fragte Marilee vorsichtig. “Wir haben euch beim Frühstück vermisst.”
“Mir geht’s bestens”, erwiderte Toni schroff.
“Mir nicht.” Simon wandte sich ab. “Ich lasse den Ausritt heute ausfallen. Toni, falls du deine Meinung änderst, weißt du ja, wo du mich findest.”
Sie ließ sich nicht einmal zu einer Erwiderung herab. Fluchend marschierte er davon.
“Worum ging es denn?”, wollte Marilee von Toni wissen und schaute ihrem Bruder nach. “Ich dachte, ihr zwei versteht euch prächtig.”
“Manchmal kann der Schein trügen.” Toni zurrte den Sattelgurt fest und löste den Steigbügel vom Sattelhorn, sodass er an der Flanke des Pferdes herunterhing. Trotz der Tatsache, dass ihr zum Weinen zumute war, brachte sie ein Lächeln zustande. Es hatte keinen Sinn, sich ihren Kummer anmerken zu lassen.
“Hattet ihr beide Streit?”, forschte Marilee weiter. “Nein, natürlich nicht. Sie streiten sich nicht, Toni.”
Nicht bis vor Kurzem. “Danke für Ihr Vertrauen”, meinte Toni.
“Also wenn Sie es nicht sind, auf die er wütend ist”, überlegte Marilee weiter, “dann muss ich es wohl sein. Er ist immer noch sauer, weil er nicht weiß, was mit mir los ist, stimmt’s?”
Toni wollte ihr schon sagen, dass das nicht der Grund war, entschied sich jedoch anders. Auch wenn das ganz sicher nicht mehr alles war, was Simon beschäftigte, bereitete es ihm doch nach wie vor Sorge. “Wieso erklären Sie ihm nicht einfach alles? Ihre Woche ist fast um, also können Sie es ihm doch jetzt getrost sagen.”
“He, aber nur wenn ich einen ordentlichen Vorsprung kriege”, warf Dylan ein.
Toni lachte bitter. “Er wird sich schon nicht mit einem Gewehr auf die Suche nach dir machen.”
“Sind Sie sich sicher?” Marilee verdrehte die Augen. “Bei Simon kann man nie wissen.”
“Ich bin mir sicher.” Toni klang so bestimmt, dass es sie ebenso überraschte wie ihre beiden Zuhörer. “Ich habe keine Ahnung, wie er reagieren wird, aber ich weiß genau, wie er nicht reagieren wird. Er wird nicht explodieren, das verspreche ich. Außerdem kennt er Dylan. Er wird einsehen, dass das alles bloß ein Streich war, um ihn von seinem Überwachungswahn zu kurieren.” Sie verzog das Gesicht. “Allerdings solltet ihr nicht erwarten, dass er darüber lacht.”
“Ich werde schon froh sein, wenn er keinen von uns umbringt.” Marilee wirkte unentschlossen. “Ich weiß nicht recht, vielleicht sollte ich ihm doch alles erzählen. Er sah heute wirklich elend aus.”
“Tun Sie es”, ermutigte Toni sie. “Wenigstens das sind Sie ihm schuldig.” Sie band das Pferd los und führte es zu den anderen, die geduldig am Anbindepfosten warteten. Möglicherweise hatte sie Simon noch einen letzten Gefallen getan.
“Simon, hast du eine Minute Zeit?”
Beim Klang von Marilees Stimme öffnete
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