Küss mich Engel
Geschirrtuch und trocknete sich die Hände ab. »Ich bin Sheba Quest, aber das wissen Sie ja wahrscheinlich schon.«
Jetzt, aus der Nähe, konnte Daisy feststellen, dass das Make-up der Zirkusinhaberin ein wenig greller war, als sie es selbst bevorzugt hätte. Nicht übertrieben, das keineswegs. Ihre grelle, leicht provokante Art, sich zu kleiden, zusammen mit den phantasievollen Accessoires, wies lediglich darauf hin, dass ihr Schönheitsbegriff von einem Leben im Manegenlicht geformt worden war.
»Ich bin Daisy Devereaux. Oder besser Daisy Markov. Ich hab mich noch nicht an den neuen Namen gewöhnt.«
Abscheu und Feindseligkeit verzerrten einen Moment lang Shebas Gesicht. Daisy wusste instinktiv, dass sie in Sheba Quest keine Freundin gefunden hatte.
Sie zwang sich, unter Shebas kalt musterndem Blick ruhig zu bleiben. »Alex ißt gerne. Sie haben kaum was im Kühlschrank.«
»Ich weiß. Ich bin nicht sehr gut im Organisieren.« Sie besaß nicht den Mut zu sagen, dass Sheba kein Recht hatte, in ihrem Kühlschrank herumzuschnüffeln.
»Er mag Spaghetti und Lasagne und liebt mexikanisches Essen über alles. Aber verschwenden Sie Ihre Zeit nicht mit Riesendesserts. Er ist kein Liebhaber von Süßem, außer zum Frühstück.«
»Vielen Dank für den Tip.« Daisy war ein wenig übel.
Sheba fuhr mit der Hand über die aufgesprungene Anrichte. »Was für ein schreckliches Loch. Alex hatte ursprünglich einen neueren Wohnwagen, aber letzte Woche hat er ihn weggegeben und sich den dafür geholt, obwohl ich ihm einen besseren angeboten habe.«
Daisy konnte ihre Bedrücktheit nicht ganz verbergen. Warum bestand Alex darauf, dass sie in einer solchen Behausung lebten, wenn es unnötig war? »Ich hab vor, den Trailer ein wenig herzurichten«, sagte sie, obwohl sie bis zu diesem Augenblick nie daran gedacht hatte.
»Die meisten Männer möchten ihre Braut an einen hübschen Ort bringen. Es überrascht mich, dass Alex nicht von meinem Angebot Gebrauch gemacht hat.«
»Ich bin sicher, er hatte seine Gründe.«
Sheba musterte Daisys zierliche Figur. »Sie haben keine Ahnung, worauf Sie sich eingelassen haben, stimmt‘s?«
Sheba schien ganz auf einen Streit aus zu sein, aber da Daisy ziemlich sicher war, in einem solchen Fall den kürzeren zu ziehen, wies sie mit einer Kopfbewegung auf die beiden Trikots, die über einer Stuhllehne hingen. »Soll ich die da anprobieren?«
Sheba nickte.
Daisy nahm sich das oben liegende und musste feststellen, dass sie nicht mehr als eine Ansammlung mitternachtsblauer Stoffstreifen in der Hand hielt. »Kommt mir ziemlich knapp vor.«
»Soll‘s ja auch. Das ist der Zirkus. Das Publikum erwartet, jede Menge Haut zu sehen.«
»Muss es denn meine sein?«
»Sie sind schließlich nicht fett. Ich versteh nicht, wo das Problem liegt.«
»Ich bin nicht gerade ein sportlicher Typ. Es ist mir nie gelungen, ein Gymnastikprogramm mehr als nur ein paar Minuten durchzuhalten.«
»Sie müssen sich schon ein bisschen Selbstdisziplin zulegen.«
»Nun ja, das war auch nie meine Stärke.«
Sheba betrachtete sie kritisch. Offenbar hatte sie erwartet, dass Alex Markovs Frau ein wenig mehr Rückgrat beweisen würde. Doch aus dem Zusammenleben mit ihrer Mutter hatte Daisy gelernt, sich nicht auf ein Gefecht mit einem Meisterkämpfer einzulassen. Ehrlichkeit war die einzige Defensive gegen arglistige Menschen.
Sie ging ins Bad und zog sich bis aufs Höschen aus, aber als sie das knappe Trikot überzog, merkte sie, dass der Beinausschnitt so hoch lag, dass man es sehen konnte. Also zog sie es aus und fing noch mal von vorne an.
Als es schließlich saß, betrachtete sie sich im Spiegel und kam sich auf einmal vor wie ein leichtes Mädchen. Zwei Stoffstreifen mit Spangen bedeckten ihre Brüste und ein breiterer Streifen ihre Leistengegend. Der Body bestand aus nichts weiter als einem dünnen, silbernen Glitternetz. Sheba hatte ihr nicht mal Strümpfe dazu gegeben.
»Ich glaub nicht, dass ich das tragen kann«, rief sie durch die Tür.
»Lassen Sie sehen.«
Sie trat heraus. »Es ist ein bisschen zu -« Sie brach ab, als sie Alex im Kosakenkostüm neben der Spüle stehen sah. Am liebsten wäre sie sofort wieder im Bad verschwunden und hätte es auch getan, wenn Sheba nicht dagewesen wäre. Warum musste er ausgerechnet jetzt auftauchen, wo sie so aussah?
»Komm raus, damit wir dich richtig ansehen können«, sagte er.
Daisy trat widerwillig einen Schritt vor. Sheba stellte sich neben ihn und formte auf
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