Küss mich Engel
sich an ihrem Trikot zu schaffen. Ihr war ganz heiß und schwach, und sie war vollkommen durcheinander. Wie hatte sie sich ihm nur so an den Hals werfen können? Einem Mann, der kaum ein freundliches Wort zu ihr sagte, ein Mann, der nicht an die Einhaltung eines Gelübdes glaubte?
Sie hastete zum Bad, doch seine leise, heisere Stimme stoppte sie, bevor sie die Tür erreichte.
»Mach dir nicht die Mühe, die Couch herzurichten, Engelchen. Du schläfst heute Nacht bei mir.«
7
Während Sheba zunächst die Geldschublade und dann einen Stapel Papiere durchging, verkaufte Daisy Eintrittskarten für die Abendvorstellung an einige Spätankömmlinge. Ihre Bewegungen waren mechanisch, ihr Lächeln automatisch, denn der leidenschaftliche Kuss, den sie und Alex miteinander geteilt hatten, wollte ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Sie war so durcheinander, dass sie kaum hörte, was die Leute zu ihr sagten. Ihr wurde ganz warm bei der Erinnerung, aber gleichzeitig schämte sie sich auch. Sie hätte sich nie derart schamlos vergessen dürfen, wo er ihrer Ehe so wenig Respekt erwies.
Die Paradenmusik endete, und Sheba verließ wortlos den Wagen. Daisy machte den Ticketschalter zu und ordnete gerade das Geld in die Schublade, als Heather hereinkam. Sie trug ihr Trikot mit den Goldspangen, und ihr starkes Makeup wirkte hart auf einem so jungen Gesicht. Fünf rote Ringe baumelten wie riesige Armreife an ihrem kleinen schmalen Handgelenk, und Daisy fragte sich, ob sie sie denn überallhin mitnahm.
»Hast du Sheba gesehen?«
»Sie ist vor ein paar Minuten weg.«
Heather blickte sich um, wie um sich davon zu überzeugen, dass sie alleine waren. »Hast du ‘ne Zigarette?«
»Ich hab meine letzte heute morgen geraucht. Es ist ‘ne furchtbare Angewohnheit, ganz zu schweigen von teuer, und ich versuch aufzuhören. Es wird dir leid tun, wenn du dich erst mal dran gewöhnt hast, Heather.«
»Ich hab mich nicht dran gewöhnt. Ich rauch bloß so, weil mir langweilig ist.« Heather begann, unschlüssig im Büro auf und ab zu gehen, berührte hier den Schreibtisch, fuhr da über den Aktenschrank und blätterte einen Wandkalender durch.
»Weiß dein Vater, dass du rauchst?«
»Jetzt wirst du mich wohl verpetzen.«
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Na los, tu‘s ruhig«, entgegnete sie kampflustig. »Er schickt mich wahrscheinlich sowieso zurück zu meiner Tante Terry.«
»Hast du dort vorher gelebt?«
»Ja. Sie hat schon vier Kinder, und sie nimmt mich nur deshalb, weil mein Dad sie dafür bezahlt, und sie braucht das Geld. Außerdem kriegt sie auf die Weise ‘ne kostenlose Babysitterin. Meine Mom konnte sie nie ausstehen.« Ihr Gesicht wurde bitter. »Er kann‘s kaum erwarten, mich loszuwerden.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Du hast keine Ahnung, stimmt‘s? Er mag nur meine Brüder. Sheba sagt, es ist nicht meine Schuld, denn er weiß nicht, wie er mit ‘ner Frau umgehen soll, mit der er keinen Sex hat, aber sie will mich bloß aufmuntern. Ich denk die ganze Zeit, wenn ich bloß besser jonglieren könnte, dann lässt er mich vielleicht hierbleiben.«
Jetzt verstand Daisy, warum Heather immer die Ringe mit sich herumschleppte. Sie wollte damit die Zuneigung ihres Vaters gewinnen. Daisy kannte sich aus damit. Auch sie hatte einen Vater, dem sie nie etwas recht machen konnte, egal wie sehr sie sich auch mühte. Eine Welle des Mitgefühls übermannte sie für dieses feenhafte Mädchen mit der Gossenschnauze. »Hast du versucht, mit ihm zu reden? Vielleicht weiß er nicht, wie ungern du zu deiner Tante zurückgehen würdest.«
Sie setzte ihr hartes Ist-mir-doch-scheißegal-Gesicht auf. »Als ob ihm das was ausmachen würde. Und du bist sowieso die Richtige, anderen Ratschläge zu erteilen. Alle reden über dich. Dass Alex dich bloß geheiratet hat, weil du schwanger bist.«
»Das stimmt nicht.« Das Zelltelefon schnurrte, bevor Daisy noch mehr sagen konnte, und sie ging zum Schreibtisch, um abzuheben. »Zirkus Quest.«
»Alex Markov, bitte«, sagte eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Tut mir leid, aber er ist im Moment nicht da.«
»Würden Sie ihm bitte sagen, dass Jacob Solomon angerufen hat? Er hat meine Nummer. Oh, und Dr. Theobald versucht auch, ihn zu erreichen.«
»Ich rieht‘s ihm aus.« Als Daisy aufhängte und die Nachricht für Alex notierte, fragte sie sich, wer diese Leute wohl waren.
Es gab so viel, das sie nicht von ihm wusste, das sie nicht verstand, und er schien nicht
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