Küss mich Engel
besprenkelte sich mit Wasser und lümmelte sich dann mit der neuesten Ausgabe der Cosmopolitan in einen Liegestuhl. Sogar Digger machte ein Nickerchen im Schatten.
»Daisy, beweg deinen Arsch und mach was mit dem Heu da!«
Neeco brüllte diesen Befehl aus dem Türrahmen des Wohnwagens, den die Showgirls benutzten, und schlang dann den Arm um Charlenes Schulter. Seit ihrem Streit wegen des Bullenhakens verhielt sich Neeco ihr gegenüber feindselig. Er gab ihr die schlimmsten Arbeiten und ließ sie so lange schuften, bis Alex auftauchte und sagte, dass es genug wäre.
Als sie mit dem Heuschaufeln anfing, merkte sie, dass jeder Muskel in ihrem Körper brannte. Ihr schweißdurchtränktes T-Shirt hatte einen Riss an der Schulternaht; ihre Jeans starrten vor Dreck; Erde, Heu und Mist klebten an jedem Zentimeter ihrer feuchten Haut. Ihr Haar war schweißnass, und ihre dreckigen Fingernägel waren ebenso gebrochen wie ihr Geist.
Auf der anderen Seite des Zeltplatzes hockte Sheba und süffelte etwas Kaltes aus einem orangen Plastikshaker, während sie sich die Nägel lackierte. Der Schweiß rann Daisy in die Augen, und sie brannten, doch ihre Hände waren zu schmutzig, um ihn wegzuwischen.
»Nun mach schon, Daisy«, rief Neeco, und Charlene kicherte. »Wir erwarten noch ‘ne Ladung.«
Da platzte etwas in ihr. Sie war‘s leid, jedermanns Schuhabtreter zu sein. Sie war‘s leid, von Elefantenbabies umgehauen und von den Erwachsenen mit Verachtung behandelt zu werden.
»Mach‘s doch selber!« Sie warf die Heugabel hin und stapfte davon. Sie hatte genug. Sie wollte Alex suchen und das versprochene Flugticket verlangen. So schlimm wie hier konnte es zu Hause gar nicht werden.
Ein lautes Brüllen schallte über den Zeltplatz. Gleichzeitig begann ihre Haut vor Hitze zu brennen, und ihre Kehle war auf einmal wie ausgedörrt. Sie sah einen Schlauch, der vom Wassertank zur Menagerie führte, und eilte mit leiser Panik darauf zu, denn ihr war noch nie im Leben so heiß gewesen.
Wieder hörte sie ein Brüllen, und als sie aufblickte, sah sie, dass Sinjuns Käfig in der prallen Sonne stand. Die Hitze stieg in Wellen vom Asphalt auf, so dass das orange-schwarz-gestreifte Fell des Tigers in der Hitze waberte.
Nicht alle Tiere befanden sich im Menageriezelt. Einige waren in einer kleinen umzäunten Umfriedung zwischen dem Menageriezelt und dem big top stehengelassen worden, ehester, ein räudig aussehendes Kamel, und Lollipop, ein cremefarbenes Lama mit Schlafzimmeraugen, waren nicht weit davon angebunden worden. Ein großes Stück milbiger Zeltleinwand sorgte über ihnen für ein wenig Schatten, doch Sinjun in seinem Käfig war dem schrägen Einfallswinkel der Sonne direkt ausgesetzt. Wie sie schien auch er jedermanns Fußabtreter zu sein.
Er starrte sie mit einer Art trauriger Resignation an, ja stellte nicht einmal seine Ohren auf. Hinter ihm stieß das Lama einen komisch glucksenden Ton aus, während sie von dem Kamel geflissentlich ignoriert wurde. Die Hitze vom Asphalt drang durch ihre dünnen Turnschuhe und verbrannte ihr die Fußsohlen. Der Schweiß rann ihr zwischen den Brüsten herunter. Sinjuns Augen brannten sich in ihre Seele.
Heiß. Mir ist so heiß.
Sie hasste diesen Ort, wo Tiere in Käfigen gehalten und von den Menschen angestarrt wurden. Das komische Schnalzen des Lamas vibrierte in ihren Ohren. Sie hatte Kopfschmerzen, und vom schimmeligen Geruch der Zeltleinwand wurde ihr ganz schlecht. Sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück, um sich vor der Sonne und diesen unglücklichen Tieren und der schrecklichen Hitze zu verstecken. Mit einem Turnschuh trat sie in eine Wasserpfütze. Sie blickte zu Boden und sah, dass das Verbindungsstück des Schlauchs, der die Tränke der Menagerietiere versorgte, leckte.
Ohne zu überlegen, folgte sie dem Schlauch, bis sie das Messingventil fand, aus dem das Wasser in die Tränke sprudelte. Sie nahm das Schlauchende aus dem Wasser und wollte das Ventil zudrehen. Das Wasser war wundervoll kühl.
Sie musste die Augen zusammenkneifen, weil sie die schmutzige weiße Zeltplane blendete, dann fühlte sie wieder Sinjuns Augen, die sich in ihre ohnehin überhitzte Haut brannten.
Heiß. Mir ist so heiß.
Sie blickte das tropfende Schlauchventil in ihrer Hand an. So herrlich kühl. Mit einer energischen Drehung öffnete sie das Ventil ganz und lenkte den kalten Wasserstrahl direkt auf den Tigerkäfig.
O ja!
Sofort spürte sie eine Erleichterung in ihrem Körper.
»He!« Digger
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