Küss mich hier und küss mich jetzt (Julia) (German Edition)
eisige Kälte der Luft schmerzte in ihren Lungen.
Unter ihr erstreckten sich zerklüftete, scharfkantige Felsen. Unvermittelt musste sie an Kits Stimme denken, als er von der Gräfin erzählt hatte, die vom höchsten Turm in den Tod gesprungen war. Vorsichtig beugte Sophie sich vor. Wie hatte sich ein Leben so verfinstern können, dass ein Sprung in die Tiefe zum einzigen Ausweg wurde?
„Es ist ein langer Weg bis nach unten.“
Erschrocken zuckte Sophie zusammen, das Wasserglas fiel über die Brüstung. Sie stieß einen derben Fluch aus. In der Stille, die folgte, war das helle Klirren des Glases zu hören, das auf den Felsen aufschlug.
Langsam trat Kit Fitzroy näher. „Tut mir leid“, sagte er spöttisch. „Ich wollte dich nicht erschrecken.“
Sophie lachte auf. „Nach allem, was vorhin passiert ist, musst du schon verzeihen, wenn ich dir nicht glaube. Vielmehr nehme ich an, du hattest genau das vor … vielleicht, um einen weiteren ‚Unfall‘ zu produzieren, wie ihn die letzte unpassende Frau erlitten hat, die ein Fitzroy nach Alnburgh gebracht hat?“
„Du besitzt ja eine blühende Fantasie.“
„Irgendwie braucht es nicht viel Fantasie, um zu begreifen, dass du mich loswerden willst.“ Sie wandte sich von ihm ab und blickte angestrengt auf den Strand hinaus. „Immerhin hast du vorhin eine Menge auf dich genommen, um mich in eine Falle zu locken.“
Er trat neben sie. „Dazu bedurfte es nicht viel. Du warst deprimierend einfach zu manipulieren.“
Seine Stimme klang sanft, fast zärtlich und passte überhaupt nicht zu der Brutalität der Worte. Allerdings stimmt, was er sagt, dachte sie verzweifelt. Sie hatte sich allzu leicht herumkriegen lassen.
„Und du hast recht, ich will dich loswerden. Aber da ich vor Mord zurückschrecke, hoffe ich, du gehst in aller Stille.“
„Gehen?“, wiederholte sie. Alarmglocken schrillten in ihrem Kopf. Damit hatte sie nicht gerechnet. Jetzt wusste sie nicht mehr, was sie sagen, wie sie reagieren sollte. Was als Spiel, als Geheimnis zwischen Jasper und ihr begonnen hatte, war völlig außer Kontrolle geraten.
„Ja. Fort aus Alnburgh.“ Im Gegensatz zu dem Chaos in ihren Gedanken, wirkte Kit völlig klar und selbstsicher. „Sonntags sind die Bahnverbindungen von hier zwar eine Katastrophe, aber um elf Uhr fährt ein Zug ab Newcastle. Ich kümmere mich darum, dass Jensen dich zum Bahnhof bringt.“
Sophie war dankbar, sich gegen eine Mauer lehnen zu können, weil sie nicht wusste, ob ihre Beine sie sonst getragen hätten. Sie schaute Kit nicht an, spürte jedoch die Kraft und Energie, die von seinem muskulösen Körper ausgingen. Ein Schauer überlief sie, doch gleichzeitig fühlte sie eine verräterische Sehnsucht in sich aufsteigen.
„Nun, das hast du ja fein ausgetüftelt. Und was ist mit Jasper? Oder hast du ihn ganz vergessen?“
„Ich denke nur an Jasper.“
„Aha.“ In einer theatralischen Geste schlug Sophie sich leicht auf die Stirn. „Wie dumm von mir. Ich habe wirklich geglaubt, du hättest das alles nur für dich inszeniert. Ich dachte, du willst, dass ich gehe, weil mein Gesicht und meine Kleider und mein Akzent dir nicht passen, und ich im Gegensatz zu allen anderen keine Angst vor dir habe. Oh, und ja, weil du, ganz egal, wie wenig es dir behagt, vorhin nicht sonderlich zu schauspielern brauchtest.“
Einen Moment fragte sie sich, ob sie zu weit gegangen war.
„Nein.“ Wieder hatte sich dieser sanfte Klang in seine Stimme geschlichen. „Ich will, dass du gehst, weil du gefährlich bist.“
Die Wut, die sie gerade noch empfunden hatte, verflüchtigte sich. Auf einmal fühlte sie sich nur noch müde und erschöpft.
„Und was soll ich Jasper sagen?“
Kit zuckte die Schultern. „Dir fällt bestimmt etwas ein. Dann ist er frei und kann jemanden finden, der ihn mit dem Respekt behandelt, der ihm zusteht.“
„Und jemand, der deiner begrenzten Vorstellung von passend entspricht.“ Sie dachte an Sergio. Wenn die Situation nicht so ernst und demütigend gewesen wäre, hätte sie über die Ironie des Ganzen gelacht. „Wer hätte gedacht, dass unter diesem kontrollsüchtigen freudlosen Äußeren das Herz eines Romantikers schlägt?“
„Ich bin nicht romantisch. Ich habe nur eine Abneigung gegen skrupellose Schmarotzer. Im Moment bin ich bereit anzunehmen, dass du nur eine hübsche Frau bist, die ein paar Probleme mit Treue hat. Aber wenn du bleibst, werde ich gezwungen sein, dich in einem weit weniger schmeichelhaften
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