Kuess mich toedlich
zerfetzen können, doch als er ihren erschrockenen Blick sah und den gut verborgenen Schmerz darin, wich er sofort von ihr zurück. Sarah keuchte mit geschlossenen Augen.
»Tut mir leid. Ich weiß nicht, warum ich das gesagt hab. Du musst doch wissen, wie viel es mir bedeutet, dass du noch lebst und hier bist, aber ich brauche meinen Freiraum, um mit dieser Situation klarzukommen. Lass mir etwas Zeit und Luft, Ben«, bat sie ihn.
Selbst mit diesen dunkel geschminkten Augen konnte sie noch verletzlich aussehen, egal, wie tough sie sich auch gab. »Ich versuche es. Aber ich muss wissen, wann wir uns wiedersehen. Ich hab dich gerade erst wiederbekommen und ich will dich nicht noch mal verlieren .« Bens Angst war so nackt und bloß, dass sie einfach aus ihm strömte. Als er ihr wieder näher kam, spürte er, dass Sarahs Körper eindeutig auf ihn reagierte, auch wenn sie es zu verbergen versuchte. Und natürlich war sein Körper mehr als bereit, mitzumachen. Dieser Verräter. Er heizte sich auf und wollte sie ganz nah bei sich spüren. Er wollte sie nicht verlieren. Nie wieder. Aber genauso wie er spürte, dass sie sich körperlich noch zu ihm hingezogen fühlte, sah er auch die Angst in ihren Augen.
»Ich kann nach meiner Schicht zu dir kommen .« Ihre Stimme klang versöhnlich, doch Ben wollte mehr als das. Er wollte sie berühren, bei ihr sein.
»Das wäre keine gute Idee. Im Moment teile ich mir ein Apartment mit einem Fahrradkurier und einem Kiffer, der angeblich Biologie studiert, obwohl ich ihn noch nie mit einem Buch gesehen habe .« Ben versuchte, zu lächeln, aber es misslang.
Sarah sah auf ihre Uhr und wurde unruhig. »Ich muss los. Wieso kommst du nicht einfach gegen sechs Uhr in die Bar? Keine Ahnung, wie ich Tarek klarmache, wer du bist. Schließlich denkt er, dass niemand weiß, wo ich bin. Jetzt muss ich aber echt gehen. Wir sehen uns später, ja ?«
Panik war ihrer Stimme anzuhören. Plötzlich schien sie es zu sein, die Angst hatte, dass sie Ben nicht mehr sah. Das gefiel ihm schon besser. Er nickte. »Klar. Bis sechs dann.«
*
Sarah war froh, allein zu sein. Der Markt gehörte zu ihren Lieblingsorten, und war einer der wenigen schönen Plätze in diesem heruntergekommenen Viertel. An den frischen Kräutern zu riechen und die Lebensmittel für die Bar einzukaufen, fühlte sich weniger nach Arbeit an und mehr nach Freizeit, vor allem aber nach Normalität. Was sollte sie bloß mit Ben machen? Er hatte ja keine Ahnung, wie es für sie war, ihn wieder anzusehen und um sich zu haben. Wie viel hätte sie noch vor ein paar Tagen gegeben, um ihn nur ein einziges Mal noch zu berühren? Jetzt war er da, greifbar, in ihrer unmittelbaren Nähe und sie konnte nur noch streiten und versuchen, die Angst in den Griff zu bekommen, die sie bei seinem Anblick verspürte. Dabei hatte sie sich geschworen, nie wieder Angst zu haben, sich nicht mehr von ihr beherrschen zu lassen. Aber ein liebevolles Wort von Ben, ein sturmgrauer Blick und sie war wieder Sklave einer Angst, die die vergangenen Monate für sie zur Hölle gemacht hatte. Sarah konnte sich nicht mehr auf Ben einlassen, nicht mehr so wie damals, denn sie kannte den Preis für diese Gefühle. Schließlich hatte sie ihn bereits bezahlt. Er war hoch. Vielleicht sogar zu hoch.
Das übliche Gewühl auf dem Markt half und die Zitronen, Limonen und all die anderen Früchte und Lebensmittel, die sie für die Cocktails besorgen musste, sorgten für willkommene Ablenkung. Sogar auf ihre Schicht mit den leidigen Säufern und Mario, dem Barmann, mit dem schwachen Gedächtnis, der ständig Drinks verwechselte und so gut wie keinen der Cocktails, die ohnehin kaum bestellt wurden, mixen konnte, freute sie sich. Heute half alles. Bis sechs Uhr. Dann würde sie Ben wiedersehen. Unwillkürlich schlug ihr Herz bei diesem Gedanken schneller. Sie machte sich etwas vor, und das wusste sie leider ganz genau.
*
Ben war nicht aus ihrem Zimmer verschwunden, nachdem Sarah gegangen war. Ohne allzu große Skrupel durchstöberte er den Raum. Ihre Kleidung setzte sich nun vorwiegend aus schwarz und rot zusammen und sie besaß ganze zwei CDs, die neben einem Abspielgerät lagen. Im Mülleimer fand er eine zerbrochene Hülle. Bob Dylan. Desire . Er las die Playlist . Song Nummer neun: Sara. Bens Puls dröhnte in seinen Ohren, als die Erinnerung an diesen Abend hochkam. Die leicht beschwipste Sarah an seiner Seite, die erste Nacht, in der sie miteinander geschlafen
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