Kuess mich toedlich
lautes Klopfen dröhnte durch den winzigen Raum. Ben war sofort wach, schreckte hoch. »Lara!« Eine unbekannte Männerstimme.
»Wer ist Lara ?« , flüsterte er.
»Das bin ich .« Sarah lehnte sich auf den Ellbogen und sah Ben mit wachen Augen an. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen, die nicht zum Ausdruck ihrer Augen passte. »Tut mir leid, Tarek. Ich hab wohl verpennt«, rief Sarah der Männerstimme hinter der Tür zu. »Gib mir ein paar Minuten, dann hol ich mir die Liste und geh zum Markt .«
Kurz herrschte eine merkwürdige Stille, dann antwortete der Mann vor der Tür. »Gut. Alles in Ordnung bei dir?« Dieser Mann klang doch tatsächlich besorgt. Ben bekam einen kalten Knoten im Bauch.
Sarah ließ Ben nicht aus den Augen. »Ja, alles in Ordnung, Tarek.« Sie hatte ihm offenbar das Richtige gesagt, denn Ben konnte schwere Schritte hören, die sich entfernten.
»Lara ?« , fragte er.
»Hey, was soll ich sagen? Meine Mutter hatte eben einen totalen Faible für diesen Schnulzenfilm«, blaffte sie ihn an. »Das war’s. Kaum geboren, verpasst sie mir den schrägen Namen einer blonden russischen Schlampe. Mich hat keiner gefragt .«
Ben sah sie völlig erstaunt an. Ihre Art, zu reden, ihre Gestik hatte sich aus dem Nichts binnen Sekunden verändert. Es erinnerte ihn …an ihn, als er noch ständig vorgeben musste, jemand anderes zu sein.
Sarah krabbelte über Ben, um aus dem Bett zu kommen, hielt über ihm inne. »Je öfter man eine Lüge erzählt, desto wahrer klingt sie«, meinte sie, wieder ganz sie selbst. »Außerdem wirkt eine Lüge überzeugender, wenn man sie in eine halb wahre Geschichte packt. Klingelt da was ?«
»Das habe ich dir beigebracht .«
Sie nickte und blieb weiterhin über ihn gebeugt. »Ich musste jemand anderes werden …Für die Leute hier bin ich Lara. Außer für die Behörden, für die existiere ich gar nicht .«
»Ich verstehe .« Ben konnte sich nicht konzentrieren, so lange sie nur zehn Zentimeter entfernt auf ihn herabsah und ihre Knie sich neben seinen Hüften in die Matratze bohrten. Ihr Duft füllte den winzigen Raum. Als hätte sie die Richtung seiner Gedanken erahnt, schwang sie sich über den Bettrand und ging ins Bad. Während sie sich wusch, wartete er vor der Tür. »Wer ist eigentlich dieser Tarek ?« Hatte er auch so neutral geklungen, wie er es wollte? Ihm fehlte die Übung.
»Mein Chef. Der Barbesitzer … und ein Freund«, fügte sie leiser hinzu.
»Okay. Und wie viel weiß er ?« Dein Freund!
»Genauso viel wie jeder andere. So gut wie nichts. Na ja, doch ein bisschen mehr, aber davon ist fast nichts wahr. Für ihn bin ich Lara Anders. Er denkt, ich wäre für ein Auslandssemester hergekommen und musste untertauchen, weil mein Freund mich geschlagen hat und nicht aufhören will, mich zu stalken …Tarek bezahlt mich unter der Hand, hat mir das Zimmer vermittelt und ich denke, er hat Mitleid mit mir. Das war’s im Grunde .«
Ben hatte nicht alles genau gehört, weil sie angefangen hatte, sich die Zähne zu putzen. Also war dieser Tarek wohl so was wie ein väterlicher Typ. Davon würde er sich noch persönlich überzeugen. Sarah kam sauber und frisch angezogen aus dem Bad. Er konnte nicht anders, als zu denken, dass noch mehr dahintersteckte. »Wie lange wirst du unterwegs sein ?«
»Etwa zwei Stunden. Nach dem Markt hab ich die Nachmittagsschicht .«
Da lagen aber noch ein paar Stunden dazwischen. »Und was machst du vor deiner Schicht ?«
Sarah warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. »Hör mal, Ben. Es ist nicht so wie früher. Ich brauche dich nicht mehr für alles. Ich hab mir ein Leben aufgebaut und das war verdammt hart und ich kann nicht alles stehen und liegen lassen, weil du ganz plötzlich auf der Bildfläche auftauchst .«
War das ihr Ernst? Wieso schien sie so abweisend, so als würde sie sich kaum freuen, dass er lebte? Wo er doch geradezu hin und weg darüber war, dass sie lebte. Wütende Hitze kroch ihm ins Gesicht. »Verzeihung, dass ich noch am Leben bin und dumm genug war, zu glauben, dass dir diese Tatsache vielleicht etwas bedeuten würde.« Er wollte sie in Grund und Boden starren. »Aber anscheinend bin ich ja hier auch der Einzige, der dämlich genug ist, sich wie bescheuert zu freuen, dass das Mädchen seiner Träume noch am Leben ist und doch nicht der halb zerfallene Klumpen war, den man mir als ihre Leiche untergeschoben hat.« Ben brüllte inzwischen und drängte Sarah an die Wand. Ein Teil von ihm hätte sie
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