Kuess mich toedlich
Sandwiches und Toasts beladen, ging Sarah zurück in die Bar, wo Ben von seiner Zeitung hochblickte, um ihr mit seinen grauen Augen zuzulächeln. Während der ganzen Schicht warfen sie sich offene Blicke zu, verfolgten einander, kreisten umeinander wie Satelliten, mit dem Kopf ein paar Stunden in die Zukunft gerichtet, in der sie die Berührungen des anderen suchen würden.
Glücklichsein fühlte sich plötzlich so greifbar an.
So real.
Die Schicht neigte sich langsam dem Ende zu und Sarah nahm ihre kleine, schwarze Schürze ab, stopfte sie unter die Bar, wie sie es beinahe jeden Tag tat, und ergriff Bens Hand. Er lächelte ihre beiden Hände an. Als Sarah zurücklächeln wollte, blickte sie plötzlich in ein hartes, distanziertes Gesicht, das sie nicht wiedererkannte.
»Runter«, wies Ben sie an.
Allein sein Tonfall machte klar, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Sämtliche Muskeln in Sarahs Körper spannten sich an, Sekunden, bevor sie den Schuss hörte, und das Aufschlagen eines Körpers die Stille in der Bar brach.
Jemand hatte aus der Küche auf die Bar geschossen und einen der letzten Gäste getroffen, der gerade dabei gewesen war, zu gehen. Sein Blut bildete eine Lache, die bis zum Tresen vordrang, wo sie Sarahs Schuhspitze beschmutzte.
Sie hatten sie gefunden. Mario!
*
Ein zweiter Körper landete auf dem verklebten Boden. Damit waren die letzten beiden Gäste in der Bar tot. Die Familie beseitigte erst die Zeugen, dann nahm sie sich Ben und Sarah vor. Die Situation war eindeutig. Ben hockte dicht gedrängt neben Sarah hinter der Bar aus Hartholz, die ihnen Schutz vor den Kugeln bot. Er hatte sofort ihre Anzahl aus den Schritten geschlossen. Vier Jäger. Wenn sie nach Standard vorgingen, wartete noch einer vor dem Gebäude und einer dahinter. Die Chancen standen schlecht. Beschissen, genauer gesagt. Vor allem, da er keine Knarre hatte und er zusammen mit Sarah ein zu leichtes Ziel abgab. Sie würden einkalkulieren, dass er Sarah nicht von der Seite wich, um sie anzugreifen. Um ihren Standort nicht zu verraten, hielt er vier Finger hoch, um ihr zu zeigen, wie viele von ihnen hier waren. Ihre Pupillen wurden riesig. Er vermeinte, ihr Adrenalin in der Luft schmecken zu können. Er musste sie hier rausbringen. Egal, wie. Eine weitere Salve folgte. Flaschen und Gläser über ihnen zersprangen in Scherben. Ihre Hände legten sich wie von selbst schützend um ihren Kopf. Als er wieder hochsah, bemerkte er, dass Sarah triefend nass war und nach Alkohol stank. Genau wie er.
»Und jetzt ?« , formte Sarah mit dem Mund.
Sein Herz wummerte in seiner Brust, wach und bereit. Sarah schien ihm merkwürdig ruhig, aber er wusste, es war die Fassade, die sie sich zugelegt hatte, genau wie bei ihm. Sie hatte ihn jahrelang in der Familie am Leben gehalten, auch wenn sie diese Seite an ihm kaum kannte. Als das Geräusch des zerspringenden Glases nachließ, hievte er sich hoch genug, um nach einem Messer in den Schubladen zu kramen. Das vertraute Gewicht in seiner Hand fühlte sich besser an, so als wäre er jetzt nicht mehr nur Schlachtvieh, sondern ein Kämpfer. So kannte er sich. Ben drehte sich um, suchte nach etwas und entdeckte den Rest eines intakten Spiegels der Wandverkleidung. Sarah folgte seinem Blick. In dem kleinen Dreieck war ein junger, schwarz gekleideter Jäger mit einer Uzi im Anschlag zu sehen. Ben hielt den Atem an, durchbohrte das Spiegelbild seines Gegners. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung drehte er sich um und warf das Küchenmesser, das im Hals des Jägers landete. Reflexartig schnellten dessen Hände hoch, aber es war zu spät. Röchelnd brach er zusammen und war der Erste von ihnen, der fiel. Ben kauerte sich wieder neben Sarah. Einer weniger.
»Es sind nur noch drei hier drin. Einer steht am Eingang. Die anderen beiden sind uns genau gegenüber und warten darauf, dass wir einen Fehler machen, oder werden so lange schießen, bis die Kugeln uns durch die Barfront hindurch erwischen .« Sarah nickte. Was sie eigentlich wollte, war hier rauskommen, das sah er an ihren Blicken, die immer wieder zur Hintertür gingen. Ben musste diese verdammten Mistkerle erledigen, aber er wusste nicht genau, wie, also musste er improvisieren. Ben flüsterte weiter angespannt in ihr Ohr. Das Nachladen der Waffen ein paar Meter entfernt hörte er durchaus. Die Zeit wurde knapp. »Ich werde versuchen, den Kerl an der Tür zu erwischen – ein Messer hab ich noch – und …«
»… und ich werde
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