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Kuess mich toedlich

Kuess mich toedlich

Titel: Kuess mich toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Adelmann
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Nein, flehte sie, das darf nicht wahr sein. Bitte nicht! Ich darf bei ihm nichts sehen, sonst kann ich ihn nicht mehr berühren. Bitte, lass das nicht wahr sein …
    Irgendetwas fühlte sie auf ihrem Rücken. Erst langsam registrierte Sarah, dass Bens Hand dort lag und er schon eine Weile mit ihr sprach. Der watteartige Nebel um ihren Verstand begann sich zu lichten, bis sie verstand, was er sagte.
    »… mit dir? Du siehst totenblass aus. Ist dir schlecht? Sollen wir hier raus? Vielleicht an die frische Luft?«
    Mit seiner Stimme tauchte auch sein Gesicht wieder deutlich und klar vor ihr auf, das sie mit in Falten gelegter Stirn musterte. Er machte sich Sorgen. Nein, er war misstrauisch, schrie die Angst in ihr auf. Ben wartete ihre Antwort nicht ab, sondern zog sie hoch und ging mit ihr durch den Notausgang nach draußen.
    An der frischen Luft stieß sie einen langen Seufzer aus und sog die kalte Nachtluft ein, die sie endlich klarer werden ließ. Der Nebel in ihrem Kopf lichtete sich. Die Angst blieb. Ihr Magen zog sich fest zusammen.
     
    *
     
    Sarah starrte ihn an, als hätte er etwas schrecklich falsch gemacht. »Hey«, meinte er sanft, streichelte ihre Wange. »Was ist da drinnen mit dir los gewesen? Du hast mich erschreckt .« Selbst jetzt konnte er das kalte Gefühl der Panik hochkommen fühlen, das ihn vorher fest umklammert gehalten hatte, als er sah, dass etwas mit Sarah nicht stimmte.
    »Tut mir leid. Ich weiß nicht genau, auf einmal war mir so …« Sie rang um Worte, die sie offenbar nicht fand. »… und ich hatte das Gefühl, zu ersticken und keine Luft mehr zu bekommen .« Ihre Stimme klang so schrecklich dünn. Dennoch, Sarah log. Ben war vielleicht blind vor Liebe, aber jetzt log sie, eindeutig. Es war bestimmt keine Lüge in böser Absicht, so etwas traute er ihr nicht zu, aber er brauchte seine Assassineninstinkte gar nicht erst zu bemühen, denn es war für ihn beinahe greifbar. Offenbar konnte sie nicht anders, als zu lügen. Wenn er die Verzweiflung ihres Blicks richtig deutete, war ebenso klar, dass sie nicht darüber reden konnte oder wollte. Nur eines wusste er mit Sicherheit, derartige Panikattacken gehörten umgehend gemeldet. Sie gehörten zu den verdächtigsten Anzeichen für Entartungen. Mit der Meldung über diesen Vorfall unterschrieb er ihr Todesurteil, selbst wenn sie unschuldig wäre. Für die Familie gab es keine Grenzfälle. Ein derartiger Verdacht genügte vollends.
    Ben würde das Geschehene niemals melden, egal, wie die Konsequenzen aussahen. Doch noch etwas beschäftigte ihn. Kurz bevor sie in Panik ausgebrochen war, hatte sie noch an seinen Hals geschmiegt etwas geflüstert. Auch wenn es unmöglich war, glaubte er, den Namen Daniel gehört zu haben. Das war in mehrfacher Hinsicht beunruhigend, denn er hatte gerade zu dem Zeitpunkt an ihn denken müssen. Der Junge auf der Leinwand war sein Ebenbild gewesen und dessen Anblick hatte ihn kalt erwischt.
    Vielleicht hatte er ja Daniels Namen gesagt, als der Bursche im Film aufgetaucht war und sie hatte ihn wiederholt. Einen Moment lang meinte er sogar, sich daran zu erinnern, dass es so gewesen war. Aber er konnte nicht wirklich sagen, ob es sich so abgespielt hatte. Ihm fehlten plötzlich zwei seiner besten Eigenschaften: Aufmerksamkeit und Kontrolle. Wie sehr er auch versuchte, sich zu erinnern, er konnte es nicht mit Sicherheit sagen.
    Und wenn, hatte er noch mehr gesagt? Nein, das konnte nicht sein. Er sprach nie über Daniel. Mit niemandem. Nicht einmal mit sich selbst, wenn er sich fest im Griff hatte.
    Während Sarah sich an Ben gelehnt völlig erschöpft ausruhte und er ihr ansah, dass sie noch nicht wirklich ansprechbar war, kam durch die bedrückende Stille eine deutliche Erinnerung in Ben hoch, die er nicht verdrängen konnte wie sonst. Er, noch ein halbes Kind, ohne allzu viel Kindliches an sich, stand an einem geöffneten Fenster, alt und morsch. Mit Angst und dem Wissen, was er gleich sehen würde. Daniels kleiner toter Körper auf dem Kiesweg, von Blut umringt. Daniel, der schwache Knirps, der ihm überallhin nachlief und ihn zum Retter auserkoren hatte, den er aber nicht hatte beschützen können. Ben erinnerte sich noch mit einer Genauigkeit an den bleiernen Schmerz und die heftigen Tränen, die den Tod seines einzigen Freundes auf der Welt begleitet hatten, die ihn wütend und hilflos machten.
    Das alles war genauso wenig vergessen wie die Rache an Daniels Mörder, die Ben für ihn genommen hatte, und die

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