Küss mich, Werwolf - Warren, C: Küss mich, Werwolf - Wolf at the Door (Others 01)
obwohl das überhaupt nicht zu ihm passte. Er hatte den überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens entweder damit verbracht, als Botschafter zu handeln oder dazu erzogen zu werden. Er hatte früh gelernt, dass es unbedingt darauf ankam, in jeder Hinsicht ruhig Blut zu bewahren, wenn man Verhandlungsführer werden wollte, aber was hatte er gemacht? Er war vollkommen kopflos geworden, sowie er diesen Honeysuckleduft gewittert hatte.
Also kam er zu einem Entschluss. Er nahm noch einmal die Schultern zurück, schnappte sich seine Schlüsselkarte und seinen Mantel und nahm wieder die gesetzte Haltung der Männer seines Clans ein. Er wollte den Stier bei den Hörnern packen und die Füchsin in ihrer Höhle aufsuchen. Wer wagt, gewinnt.
11
Erneut kochte die Wut in ihr hoch und trieb Cassidy ins Badezimmer, wo sie ihr Mütchen an den nichts Böses ahnenden Fugen zwischen ihren Wandkacheln kühlen wollte. Dreieinhalb Stunden, nachdem sie Randys Apartment verlassen hatte, stand sie mit bloßen Füßen in ihrer ausgeblichensten Yogahose und einem Bikinioberteil in der Wanne und schwang mit der Vehemenz eines Racheengels die Schrubberbürste.
Wenn sie sich mit Haushaltspflichten beschäftigt hielt, würde sie das zumindest vorübergehend davon abbringen, an Sullivan Quinn zu denken, hatte sie sich gesagt, und nachdem Wäschewaschen nicht den gewünschten Effekt erzielt hatte, war zwecks mehr Handarbeit der Staubsauger herangezogen worden, und danach hatte sie den Kühlschrank gründlich aufgeräumt, und anschließend ging es den Seifenresten in ihrem Bad an den Kragen. Aber geholfen hatte es dann letzten Endes doch alles nichts.
Frustriert stöhnend ließ sie den Arm mit dem Schrubber sinken. Das hier brachte sie keinen Schritt weiter, was aggressive, irische Wölfe, überbesorgte Verwandte oder das Ende der Welt betraf.
Sie trat aus der Wanne und drehte mit übertriebener Kraft die Dusche voll auf. Der harte Strahl spülte die Seifenreste von den Kacheln und trieb einen Berg Schaum auf das Abflussloch zu. Sie wünschte sich, sie könne die letzten vierundzwanzig Stunden auch so einfach im Ausguss verschwinden lassen.
»Und das macht dich zu einer dicken, fetten Lügnerin, Cassidy Emilia«, murmelte sie vor sich hin, drehte das Wasser ab und packte ihre Reinigungsutensilien zurück unter die Spüle. Sie verzog das Gesicht, als die Klapptür des Badezimmerschränkchens zuschlug. Ihr Unterbewusstsein entwickelte sich zu einem richtigen Quälgeist. Als Nächstes würde es ihr wahrscheinlich einzureden versuchen, sie hätte die wenigen Minuten unter Sullivan Quinns Prachtkörper mehr genossen als je zuvor etwas in ihrem Leben. Aber den Schuh wollte sie sich nicht anziehen.
Ihr etwas zu fest gestopftes Wohnzimmersofa protestierte leise zischend, als sie sich darauf fallen ließ, um nachzudenken.
Cassidy betrachtete sich als eine ziemlich normale Frau. Sicher gab es in jedem Monat Tage, an denen selbst Heißwachs und eine Pinzette für den professionellen Gebrauch im Schönheitssalon nichts an ihren Körperhärchen ausrichten konnten, aber auch daran gewöhnte man sich. Sie hatte es nie anders gekannt.
Sie war in einer Welt aufgewachsen, in der jeder sich veränderte – oder zumindest war es ihr so vorgekommen. Bei ihren Eltern und Großeltern hatte es sich um prominente Mitglieder der besseren Gesellschaft der Anderen gehandelt, also war sie ständig von Werwesen, Hexen und Vampiren umgeben gewesen. Adele hatte selbstverständlich ständig Hof für die nicht-menschlichen Bewohner Manhattans gehalten, und noch kurz vor ihrem Tod war es Cassidys Eltern gelungen, sich in Washington, D.C., ein behagliches Nest zu schaffen. Manchmal stellte Cassidy sich vor, dass Adele ihre Eltern überredet haben würde, nach Atlanta umzusiedeln, falls sie von ihrer letzten Reise als Diplomatenehepaar unversehrt zurückgekommen wären, damit ihre Familie somit auch den letzten weißen Flecken der gesamten Ostküste abgedeckt hätte.
Doch das blieb müßige Spekulation, denn ihre Eltern waren irgendwann auf einen Konflikt gestoßen, aus dem sie sich selber trotz allen Verhandlungsgeschicks nicht wieder herauswinden konnten, und hatten während der Vampirclan-Kriege, von denen die Anrainerstaaten des Atlantiks Anfang der Achtzigerjahre heimgesucht worden waren, ihren Tod gefunden. So war es dann gekommen, dass Cassidy nach New York zurückgeholt wurde, um hier in Adeles eleganter Sandsteinvilla aufzuwachsen.
Während der ersten Schuljahre
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