Küsse auf Eis - True Love and other Disasters
die Kamera blickten. Er sah einschüchternd und ernst aus. Die Schlagzeile auf der linken Seite lautete: »Kann Ty Savage Lord Stanley nach Seattle holen?«
Die Zeitschrift war eine Woche vor Virgils Tod erschienen, und sie überblätterte eine Story über Jeremy Roenick und schlug das Magazin in der Mitte auf. Auf der rechten Seite war ein Farbfoto von Ty mit nacktem Oberkörper abgebildet. Er hielt die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und seine Brust war von gut definierten Muskeln gewellt. Von knapp unter einer Achselhöhle bis zum Bund seiner Jeans war in schwarzer Tinte sein Nachname eintätowiert. Faith selbst hatte im
Kreuz ein winziges Playboy-Bunny-Tattoo. Schon das hatte geschmerzt wie verrückt, und sie konnte sich nicht vorstellen, sich ein Tattoo stechen zu lassen, das so groß war wie Tys.
Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie beim Betrachten dieses Fotos glauben, einen »Mann des Monats«-Kalender in den Händen zu halten. Man sah nur Tys Oberkörper, und seinen Mund umspielte nur der Hauch eines Lächelns. Die linke Hälfte der Doppelseite war voll mit Kolonnen aus Karrierestatistiken, und die Schlagzeile »Heiliger oder Verräter?« überlagerte die beeindruckende Liste, die bis zu seinen Anfängen in der Minor Hockey Association zurückging. Der Artikel begann:
Ohne Zweifel ist Ty Savage einer der besten und härtesten Spieler in der NHL. Er ist bekannt dafür, auf dem Eis die wichtigen Punkte zu machen. So bringt er seine Gegner dazu, die Köpfe hochzuhalten und es sich zwei Mal zu überlegen, gegen diesen Gewinner der Selke-Trophäe anzugehen.
Er ist, wie jeder, der das Spiel verfolgt, weiß, der Sohn der Eishockeygröße Pavel Savage. Eine Beziehung, über die er nur ungern spricht.
»Mein Vater war einer der besten Spieler in der Geschichte der NHL«, sagt er auf seine schönste mürrische Savage-Art.
Faith schmunzelte. Sie wusste genau, was der Reporter meinte. Niemand hatte »mürrisch« besser drauf als Ty.
»Aber ich bin nicht mein Vater. Wir spielen ganz unterschiedlich. Wenn ich meine Schlittschuhe an den Nagel hänge, will ich nach meinem Können auf dem Eis beurteilt werden. Und nicht nach meinem Nachnamen.«
Genug gesagt.
Wenn er keine unverzeihliche Sünde mehr begeht, wird die Geschichte über den ehemaligen »Art Ross Trophy«-Gewinner mit demselben Respekt ein Urteil fällen, den sie sich für seinesgleichen wie Howe, Gretsky, Messier und - riskieren wir es? - Pavel Savage vorbehält.
Auch wenn es in Kanada Menschen gibt, die es gern sähen, wenn Savage junior aus ihren Nationalarchiven gestrichen würde. Ein Ressentiment, das von Tys Überlaufen von den Vancouver Canucks zu den Seattle Chinooks im vergangenen Monat herrührt. Für viele Kanadier ist der Name »Savage« heilig, genau wie Macdonald, Trudeau und Molson. Vielleicht zu Unrecht wird dieser gebürtige Kanadier, der einst als Held bejubelt wurde, jetzt für einen Verräter gehalten. In den vergangenen Wochen haben die Medien in Vancouver ihn diffamiert, was sogar so weit ging, dass er in Form einer Puppe verbrannt wurde. Worüber Savage nur mit den Achseln zuckt. »Ich verstehe ihre Gefühle«, sagt er. »Kanadier sind leidenschaftliche Eishockeyfans. Das liebe ich an ihnen, aber sie haben keinen Besitzanspruch auf mich.«
Angesprochen auf seinen Ruf, ein körperlich sehr hartes Spiel zu spielen, antwortet er lachend: »Das ist mein Job.«
Faith blickte von der Zeitschrift auf. Ty lachte? Sie hatte in den letzten Wochen mehrfach Zeit mit ihm verbracht, und der Mann hatte sich kaum ein Lächeln abgerungen.
Sie senkte den Blick wieder auf die Eishockey News auf ihrem Schoß und blätterte um. Sie betrachtete eines der Fotos von Ty, auf dem er in der neutralen Zone mit einem Spieler der Philadelphia Flyers zusammenprallte, und ein anderes, auf dem er einen Treffer gegen Pittsburgh erzielte.
»Man könnte sagen, Ihr körperlich harter Stil fügt anderen Schaden zu. Dass Sie kein sehr netter Mensch sind.«
»Ich spiele körperlich hartes Eishockey. Das ist mein Job, aber ich gehe nie auf jemanden los, der nicht im Besitz des Pucks ist. Wenn das heißt, dass ich kein netter Mensch bin, kann ich damit leben. An der Lady-Byng-Trophäe war ich noch nie interessiert, und ich werde keine schlaflosen Nächte haben, weil ich mir Sorgen darüber mache, ob die Leute mich ›nett‹ finden. Wenn ich manchmal ein Arsch bin, pumpt mich auch niemand um Geld an oder will sich meinen Truck borgen, um beim Umzug
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