Küsse auf Eis - True Love and other Disasters
war lange her, dass sie so ein Flattern und Kribbeln für einen Mann empfunden hatte. Warum gerade wegen Ty Savage? Klar, er war wunderschön, selbstsicher und stand im Einklang mit seiner Männlichkeit, die ihn umgab wie eine unwiderstehliche erotische Aura. Aber er mochte sie nicht. Und sie konnte ihn auch nicht besonders gut leiden.
Die Kamera schaltete um auf die Menschenmenge und schwenkte über die Reihen der Chinooks-Fans. Sie hielt bei zwei Männern an, die sich die Gesichter blau-grün bemalt hatten, und die Schmetterlinge beruhigten sich. Von ihrem Sitzplatz hoch über dem Stadion richtete Faith den Blick auf die Chinooks-Bank und die Spieler, die sich seit Beginn der Play-offs nicht mehr rasiert hatten. Ihr Bartwuchs reichte von flaumig und lückenhaft bis hin zu ungepflegt. Ty war einer der wenigen NHL-Spieler, die es vorzogen, der Tradition nicht nachzukommen.
Ty setzte sich neben Vlad Fetisov, schnappte sich von einem wartenden Trainer eine Flasche und spritzte sich einen
Strahl Wasser in den Mund. Dann spuckte er zwischen seine Füße und wischte sich das Gesicht mit einem Handtuch ab.
»Brauchen Sie irgendwas?«, fragte Jules Faith und stand auf.
Sie schüttelte den Kopf und blickte zu ihrem Assistenten auf, der einen rot-weißen Argyle-Pullover trug, der so eng anlag, dass er sich wie eine zweite Haut an seine kräftigen Muskeln schmiegte. »Nein, danke.«
Faith lehnte sich in ihrem Logensessel zurück und dachte an den morgigen Flug und das Spiel gegen San José am nächsten Abend. Faith hatte nie geplant, mit der Mannschaft zu reisen, doch erst an jenem Morgen hatte Jules sie überzeugt, dass es eine gute Maßnahme wäre, um ihre Unterstützung zu zeigen. Er hatte gesagt, es wäre eine gute Gelegenheit für sie, die vierundzwanzig Männer, die für sie spielten, kennenzulernen. Wenn sie sich öfter sahen, würden die Spieler sich vielleicht mit ihr als neuer Besitzerin wohler fühlen. Sie war sich nicht sicher, ob ihr Assistent wirklich nur ihre Interessen im Auge hatte oder ob er eher selbst auch noch das zweite Spiel mitkriegen wollte.
Wenn seine Gesundheit es zuließ, war Virgil manchmal mit den Chinooks zu den Auswärtsspielen geflogen und hatte sich ein Spiel oder auch zwei angesehen, bevor er nach Hause zurückkam, aber Faith hatte ihn nie dabei begleitet. Hatte nie das Bedürfnis gehabt, sich dem Sport mit Haut und Haar zu verschreiben. Und obwohl sie so langsam eine leise Ahnung davon bekam, was »Gegentore« und »Gegentorschnitte« waren, fragte sie sich, ob sie es jemals ganz verstehen würde. Je die Art von Verständnis erlangen könnte, die dadurch entstand, wenn man jahrelang nur für sein geliebtes Eishockey gelebt hatte.
Jules kam mit einem Corona und einem Taquito zurück und setzte sich wieder neben sie. »Verraten Sie mir eines«, sagte er gerade noch laut genug, dass sie ihn hören konnte. »Gehen Sie zwangsläufig davon aus, dass ein Mann schwul ist, nur weil er ›Haarpflegeprodukt‹ sagt?«
Überrascht sah Faith in Jules’ dunkelgrüne Augen. »Nein«, antwortete sie vorsichtig. »Hat meine Mutter oder Sandy gesagt, Sie seien schwul?«
»Nein.« Er biss verlegen ein Stück von seinem Taquito ab. »Sie werden es nicht glauben, aber ein paar der Jungs aus der Mannschaft halten mich für schwul.«
»Im Ernst?« Sie setzte ein Pokerface auf. »Warum?«
Er zuckte vage mit seiner kräftigen Schulter und hob die Flasche an den Mund. »Weil mir mein Aussehen wichtig ist.« Er trank einen Schluck und fügte hinzu: »Und weil Hetero-Männer das Wort ›Haarpflegeprodukt‹ anscheinend nicht benutzen.«
»Das ist doch lächerlich.« Ihr eigener Verdacht lag in seinem Kleidungsstil und seinem fragwürdigen Farbgeschmack begründet. Sie konzentrierte sich auf das Eis, wo Walker Brooks zum mittleren Anspielkreis lief, während Ty vom Spielfeldrand aus zusah. Die Kamera schwenkte zur Chinooks-Bank. Einige Spieler saßen wie Ty ganz entspannt und aufmerksam da, während andere die gegnerischen Spieler anschrien, wenn sie vorbeiliefen.
Walker betrat den Anspielkreis, stoppte in der Mitte und wartete mit gesenktem Stock. Der Puck wurde eingeworfen. Das Spiel begann. »Wer behauptet denn, dass man als Mann nicht ›Haarpflegeprodukt‹ sagen darf?«, fragte sie.
»Ty Savage.«
Sie warf Jules einen Blick zu. »Hören Sie nicht auf Ty.« Er
hatte zu viel Testosteron im Blut, um das beurteilen zu können. »Hetero-Männer sagen ständig ›Haarpflegeprodukt‹.«
»Nennen Sie
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