Küsse auf Eis - True Love and other Disasters
noch nicht geoutet.«
Noch mehr Spieler drängten sich in den Bus, und Ty beobachtete durchs Fenster, wie Faith über etwas nickte, das Jules zu ihr sagte. »Er behauptet, er ist nicht schwul.«
»Ach ja?« Sam zuckte mit den Achseln. »Ich hatte mal einen Cousin, der sich in den Neunzigern so kleidete. Der war auch nicht schwul.« Wieder ein Achselzucken. »Aber er war aus Long Island«, fügte er hinzu, als erklärte das alles. Er wandte sich ab und sah aus dem Fenster. »Was hat sie deiner Meinung nach in der Schachtel? Handschellen? Peitschen? Eine Zimmermädchenuniform?«
Ty lachte in sich hinein. »Hüte vermutlich.«
»Wozu braucht eine Frau so viele Hüte?«
Jetzt war es an Ty, mit den Achseln zu zucken. »Ich war nie verheiratet.« Er war nur einmal nah dran gewesen. Aber nur, wenn man das eine Mal mitzählte, als seine Exfreundin LuAnn ihm einen Antrag gemacht hatte. Auch wenn er nicht wusste, ob das überhaupt zählte, weil er schreiend davongelaufen war. Er hatte nichts gegen die Ehe. Bei anderen.
»Tja, meine Ex hat bei Reisen nie eine Hutschachtel mit sich rumgeschleppt.«
»Ich wusste nicht, dass du verheiratet warst.« Er blickte auf, als Coach Nystrom und Torwarttrainer Don Bonclair den Bus betraten.
»Doch. Seit fünf Jahren geschieden. Ich hab einen kleinen Sohn. Seine Mama kam einfach nicht mit dem Leben klar, weißt du.«
Das wusste er. Die Scheidungsrate unter Eishockeyspielern war hoch. Sie waren die Hälfte der langen Saison weg, und es bedurfte einer starken Frau, allein zu Hause zu hocken, während ihr Mann unterwegs war, hart arbeitete, auf großem Fuß lebte und Eishockeygroupies abwimmelte.
Oder auch nicht. Mit einem Eishockeyspieler verheiratet zu sein hatte Tys Mutter verrückt gemacht. Hatte sie zumindest behauptet. Vielleicht war sie aber auch schon verrückt gewesen, wie sein Vater behauptete. Wer wusste das schon? Das einzig Sichere war, dass sie an einem giftigen Cocktail aus Klonopin, Xanax, Lexapro und Ambien gestorben war. Die Ärzte hatten das als versehentliche Überdosis bezeichnet. Ty war davon nicht überzeugt. Das Leben seiner Mutter war eine einzige emotionale Achterbahn gewesen, und ob sie schon mit einer Geisteskrankheit zur Welt gekommen war oder zu der Tat getrieben wurde, das Resultat war dasselbe gewesen. Tys Mutter hatte mit einer Depression gekämpft, die ihrem Leben ein Ende gesetzt hatte. Er machte sich keine Sorgen, einmal traurig und deprimiert zu enden wie seine Mutter. Schon eher, dass er seinem Vater zu sehr ähnelte, um etwas für jemanden zu empfinden.
Ty schob den dicken Ärmel seines warmen Mantels zurück und sah auf seine Armbanduhr. In Seattle war es jetzt kurz nach acht, und er fragte sich, was sein Dad in seiner Abwesenheit anstellte. Abgesehen davon, was er immer tat: Tys Biervorräte dezimieren und Sport gucken. Es war jetzt zwei Wochen her, seit Pavel vor seiner Tür gestanden hatte. Über zwei Wochen, in denen sein Vater seinen Rückschwung geübt oder sich in Stripclubs rumgetrieben hatte. Über zwei Wochen, und es sah nicht so aus, als hätte sein Dad vor, in absehbarer Zeit wieder zu verschwinden.
Die Bustür öffnete sich, und Jules stieg ein, gefolgt von Faith. Ihr Assistent suchte sich einen Platz am Fenster, während Faith sich auf der anderen Seite des Ganges zwei Reihen vor Ty hinsetzte. Sie nahm ihre Hutschachtel auf den Schoß und hielt sie mit beiden Händen fest. Das Licht fing sich in ihrem riesigen Diamant-Ehering aus Platin und leuchtete auf ihren roten Fingernägeln.
Genau wie vorhin, als sie das Flugzeug betreten hatte, senkte sich Schweigen über sie wie eine schwere Wand. Sowohl einzeln als auch in der Gruppe hatte jeder Eishockeyspieler hier im Bus schon mit vielen schönen Frauen zu tun gehabt. Genau wie mit vielen Stripperinnen. Einige von ihnen waren sogar auf Partys in der Playboy Mansion gewesen. Doch aus irgendeinem Grund verschlug diese ehemalige Stripperin, die zum Playmate aufgestiegen war, all diesen dreisten Eishockeyspielern die Sprache. Vielleicht lag es daran, dass sie so viel Macht über sie hatte. Viel wahrscheinlicher aber lag es daran, weil sie atemberaubend aussah. Oder auch beides.
»Hört zu, Jungs.« Coach Nystrom stand vorne im Bus. »Wir trainieren heute Nachmittag, und dann habt ihr bis zum leichten Training morgen früh frei. Wir haben morgen Abend ein wichtiges Spiel; ich brauche euch nicht extra aufzufordern, keine Dummheiten zu machen.« Er setzte sich in die erste Reihe.
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