Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
ertragen, nicht nach diesem Tag. Obwohl sie die Besichtigungsfahrt und das wunderbare Essen genossen hatte, hatte sie die ganze Zeit gefürchtet, auch nur eine Minute ihr Schutzschild fallen zu lassen. Sie fürchtete, Dario würde die Situation sofort zu seinem Vorteil wenden und ihr ein Angebot unterbreiten, dem sie nicht widerstehen konnte.
Hier in ihrem Zimmer konnte sie sich entspannen und ihr Privatstudium unregelmäßiger italienischer Verben und des Weinanbaus wieder aufnehmen.
Zuerst aber nahm sie in der klauenfüßigen Wanne ein ausgedehntes heißes Bad, verteilte genüsslich mit einem Schwamm den duftenden Seifenschaum und ließ die Anspannung, die die Wortgefechte mit ihrem Fremdenführer verursacht hatten, langsam von sich abgleiten. Sie hatte ihren Sizilien-Reiseführer mit in die Wanne genommen und las nun ein Kapitel über „Flora und Fauna“. Was sie da las, überraschte und verärgerte sie so sehr, dass sie das Buch beinahe ins Wasser gefeuert hätte.
In diesem Augenblick klopfte es an die Tür. War das schon das Abendessen? Sie war so versunken gewesen, dass sie die Zeit vergessen hatte. Vielleicht war sie sogar ein wenig eingenickt, denn ihre innere Uhr lief noch nach kalifornischer Zeit. „Einen Moment“, rief sie auf Italienisch, bevor sie aus der Wanne stieg. Sie schlüpfte in den weichen Frotteemantel, den das Hotel für seine Gäste bereit hielt, wickelte ein Handtuch um ihr nasses Haar und ging zur Tür, um dem Zimmermädchen das Tablett abzunehmen.
Doch statt einer Hotelangestellten stand Dario Montessori vor ihr. Er trug eine Lederjacke, ein weißes Hemd, perfekt sitzende Jeans und braune Lederslipper. Was sie trotz des Schocks, ihn vor sich zu sehen, in Sekundenschnelle in allen Einzelheiten wahrnahm. Es war leichter und sicherer, seine teure Kleidung zu mustern, als in sein markantes Gesicht zu schauen.
„Was tun Sie hier?“, fragte sie harsch und zog den Schalkragen des Bademantels zusammen.
„Ich wollte Ihnen Ihren Beutel und das Wörterbuch zurückbringen“, antwortete er, während sein Blick auf ihrem Dekolleté lag. „Meine Großmutter hat mir erzählt, dass Sie ihre Pfirsiche und ihren Honig gerettet haben. Sie lässt ihren Dank ausrichten.“
„Ihre Großmutter? Ich hatte keine Ahnung. Aber woher wusste sie …?“
„Dass Sie das waren? Wusste sie nicht. Aber Ihr Name steht im Wörterbuch.“
„Oh“, stammelte Isabel, während sie versuchte, mit einer Hand die Vorderseite des Bademantels zusammenzuhalten und mit der anderen Hand den Frotteeturban auf ihrem Kopf zu stützen.
Sie bat ihn nicht herein, aber Dario trat auch so einfach ins Zimmer. „Ich habe ein paar Neuigkeiten für Sie, was die Arbeiter angeht“, sagte er und nahm ein schmales ledergebundenes Notizbuch aus seiner Jackentasche. Dass sie nicht für Besuch gekleidet war, störte ihn offensichtlich überhaupt nicht. Typisch, dass er ausschließlich seine Absichten verfolgte.
Zielstrebig ging er an dem Bett vorbei, über das eine lichtgrüne Tagesdecke gezogen war, umrundete den antiken Schreibtisch und setzte sich an den runden Tisch am Fenster, wo er einige Papiere ausbreitete.
Isabel blieb nichts anderes übrig, als sich dazuzusetzen, so als hätten sie einen Geschäftstermin, was ja der Fall war. Bis auf den Umstand, dass sie nur spärlich bekleidet war und kein bisschen vorbereitet. Wenn er es darauf abgesehen hatte, sie zu überrumpeln und irgendein ausgeklügeltes Komplott zu starten, dann hatte er sich den richtigen Zeitpunkt ausgesucht. Ihr Gehirn war wie in Watte gepackt. Doch ihre Entschlossenheit unumstößlich.
Sie setzte sich stocksteif und aufrecht auf dem weich gepolsterten Stuhl hin und richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf das, was Dario sagte, während sie gleichzeitig spürte, wie ihre Haut nach dem Bad prickelte und wie wenig Abstand zwischen ihnen beiden war. Sie fühlte sich gebannt von der männlichen Ausstrahlung, die von ihm ausging. Doch sie musste die Situation meistern, wie sie war. Jeder Anlauf, sich anzukleiden, würde sie wie ein kompletter Idiot dastehen lassen. Wenn es ihn nicht störte, dass sie nichts als einen Morgenmantel trug, warum sollte es sie dann stören? Lange würde er bestimmt nicht bleiben.
„Ich habe Arbeiter für Ihre Weinberge gefunden.“ Er schob ihr eine Liste mit Namen über den Tisch zu.
„Gut“, sagte sie. Die Namen verschwammen zu einem Farbklecks. „Wer sind sie?“
„Erfahrene Leute. Männer, die sich auf der Azienda auskennen.
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