Küsse im Mondschein
dazu.«
Nur mit Mühe konnte Amanda sich beherrschen, bei Lady Osbaldestones Worten nicht sogleich erschrocken zusammenzuzucken.
Ihre Ladyschaft lehnte sich entspannt zurück, die Augen noch immer zusammengekniffen. »Die gegenwärtige Situation beschreibt man also wohl am besten dahingehend, dass man sich über Dexters aktuelle Stellung in der Gesellschaft noch nicht so ganz einig ist. Sollte er also doch noch mal zur Besinnung kommen und sich wieder in die Londoner Gesellschaft einfügen wollen, so wird man ihn mit Sicherheit nicht ächten. Dafür werden wir, die älteren Semester, schon Sorge tragen. Andererseits - ich meine, bis die Angelegenheit mit diesem alten Mord endlich einmal geklärt ist -, wird wohl immer auch noch ein winzig kleines Fragezeichen über seinem Namen hängen.«
Amanda nickte. »Vielen Dank.« Damit wollte sie sich erheben, hielt dann jedoch doch noch einmal inne. »Was ich noch fragen wollte - in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis steht Dexter eigentlich zu den Ashfords?«
»Sie sind Blutsverwandte. Luc Ashford ist Martin Fulbridges Cousin ersten Grades. Ihre Mütter waren Schwestern.« Lady Osbaldestone schwieg einen Augenblick lang, fügte dann aber noch hinzu: »Als kleine Jungen waren die beiden, wenn ich mich recht erinnere, unzertrennlich. Und sie sehen sich auch ziemlich ähnlich, nicht wahr?«
Amanda nickte.
Da krähte Lady Osbaldestone plötzlich triumphierend: »Aha! Damit besteht also überhaupt kein Zweifel mehr daran, dass du diesen schwer fassbaren Grafen bereits kennen gelernt hast! Nun denn, mein Mädchen, lass dir von mir noch einen kleinen Rat geben.« Sie schloss eine klauenartige Hand um Amandas Handgelenk und beugte sich noch ein wenig näher zu ihr hinüber. »Wenn du etwas wirklich willst, und wenn du überzeugt davon bist, dass das ganz sicher das Richtige für dich ist, dann rate ich dir, sollte es zu einem Kampf kommen, nur eines - kämpfe!«
Damit ließ sie Amanda wieder los und beobachtete, wie diese sich erhob. »Erinnere dich stets daran, was ich dir gesagt habe. Wenn er wirklich der Richtige für dich ist, dann gib nicht auf, ganz egal, wie groß der Widerstand auch sein mag.«
Amanda blickte in die klugen dunklen Augen Ihrer Ladyschaft. Dann vollführte sie einen höflichen kleinen Knicks. »Ich werde es bestimmt nicht vergessen.«
Sie brauchte zwei ganze Tage, bis sie Reggie davon überzeugen konnte, dass es von geradezu lebenswichtiger Bedeutung wäre, dass sie noch einmal in Lady Hennessys Salon einkehrten. Drei Tage nachdem Amanda durch Green Park geschlendert war, erschien sie am Abend also abermals in der Gloucester Street Nummer 19. Und wieder war der Salon voller Menschen; Lady Hennessy hob bei Amandas und Reggies Erscheinen zwar kritisch eine Braue, hieß sie aber dennoch willkommen.
Amanda tätschelte Reggie den Arm. »Denk dran, was du mir versprochen hast.«
Reggie ließ derweil einen misstrauischen Blick über die Schar der Gäste schweifen. »Trotzdem gefällt mir das Ganze hier überhaupt nicht. Was, wenn sich irgendein anderer der Herren hier an dich ranmacht?«
»Dann eile ich natürlich sofort zurück an deine Seite.« Damit ließ Amanda Reggie stehen, schaute sich dann aber noch einmal nach ihm um und warnte ihn: »Also, versteck dich bitte nicht so gut, dass ich dich hinterher nicht mehr wiederfinde.«
Amandas Anweisung folgend, schlenderte Reggie nun also langsam in Richtung der weniger belebten Regionen am Rande des Salons. Aufmerksam schaute Amanda sich um, konnte aber nirgends jenen gewissen wohl geformten Kopf mit den von der Sonne golden ausgeblichenen Locken erkennen; sie betete darum, dass Dexter möglichst bald auftauchen möge. Dann setzte sie ihr gewohntes Lächeln auf und wanderte langsam durch den Raum.
Dieses Mal sah sie sich vor, keinen der Gentlemen dazu zu verleiten, ihr den Hof zu machen. Stattdessen gesellte sie sich mal zu der einen Gruppe, mal zu der anderen; das alles aber natürlich unter Aufbietung aller ihr mit den Jahren in der Londoner Gesellschaft erworbenen Gewandtheit und Geschicklichkeit, die es Amanda erlaubten, umherzuschwirren, ohne dabei jedoch die Verlassenen vor den Kopf zu stoßen. Unterdessen spürte sie genau, wie sich in ihrem Inneren eine immer größer werdende Nervosität ausbreitete, wie ihre Nerven sich Stückchen für Stückchen immer fester anspannten.
Amanda wusste nicht, wie Dexter reagieren würde, wenn er sah, dass sie trotz ihrer Absprache abermals in einem dieser
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