Küsse im Morgenlicht
zu baden und zu schwelgen und lichterloh zu brennen in dem reinen Gefühl dessen, was, wie sie wussten, zwischen ihnen war.
17
»Männer!«
Dem Himmel sei Dank, dass sie, Amelia, so stur und beharrlich war. In jedem Fall war sie noch dickköpfiger als Luc.
Müde stieg sie die Treppe zum Obergeschoss von Calverton Chase empor und fluchte im Stillen über ihren ihr vor Gott angetrauten Ehemann. Dass aber auch ausgerechnet er, der doch sonst so männlich-rational war und die Dinge stets in null Komma nichts begriff, sich nun gerade in dieser einen speziellen Angelegenheit so unglaublich begriffsstutzig anstellen musste.
Amelia konnte es beim besten Willen nicht nachvollziehen, wie Luc bloß so dumm sein konnte und nicht erkannte, was ihm doch geradezu ins Auge stechen musste!
Nach alledem, was sich an diesem hitzigen Nachmittag zwischen ihnen beiden ereignet hatte, würde doch wohl jeder vernünftig denkende Mensch sofort zu dem Ergebnis kommen, dass sie beide wussten, wie tief sie füreinander empfanden. Sie liebten einander - waren verliebt. Amelia hatte sich in ihn verliebt, und er musste sich ganz einfach auch in sie verliebt haben. Anders konnte es gar nicht sein. Eine Alternative gab es nicht. Wie sonst sollte man all das, was sich zwischen ihnen bereits ereignet hatte, erklären? Wie sonst sollte man diese besondere Verbundenheit begreifen, die aus ihrem Miteinander entsprang?
Doch wie dem auch sein mochte, es waren seit jenem Nachmittag mittlerweile ganze zwei Tage - achtundvierzig Stunden - vergangen, und Luc hatte noch immer kein Wort über das Erlebte verloren, hatte noch immer nicht das kleinste Anzeichen seiner Liebe für Amelia erkennen lassen.
Alles, was er tat, war, sie zu beobachten. Sicherlich, er musterte sie nur ganz verstohlen und im Verborgenen, aber dennoch war Amelia sich seiner Blicke durchaus bewusst. Und das sorgte letztendlich dafür, dass auch sie nichts sagte.
Sie traute sich einfach nicht.
Was, wenn dieser verdammte Mann so begriffsstutzig war, dass er die Wahrheit tatsächlich nicht erkannte? Was, wenn er sich einfach weigerte, das Offensichtliche zur Kenntnis zu nehmen? Letzteres dürfte bei Luc wohl eher der Fall sein. Doch egal, welche von beiden Möglichkeiten nun zutreffen mochte - sobald sie die Erste war, die das Wort »Liebe« in den Mund nahm, hätte sie alles, was sie sich in ihrer Beziehung bisher so hart erkämpft hatte, wieder verloren. Sie brauchte nur andeutungsweise von Liebe zu sprechen, und schon würde Luc seine Schutzwälle wieder hochreißen und Amelia wäre, wieder einmal, ausgeschlossen von der Welt in seinem Herzen.
Und dieses Risiko würde sie nicht eingehen. Nein, so töricht war sie nicht. Denn sie hatte ja zum Glück Zeit. Erst vor wenigen Tagen noch hatte sie sich selbst dazu gratuliert, dass sie so rasch so weit gekommen war - kaum ein Monat war vergangen, und sie war von der jungen Lady Cynster zur Vicomtesse Ashford aufgestiegen. Und Amelia würde auch noch weiter vorankommen. Sie beide würden noch weiter vorankommen und tiefer eintauchen in das geheimnisvolle Reich der Liebe. Denn als geheimnisvoll hatte sich ihre Liebe in der Tat erwiesen. Und das, obwohl Amelia und Luc doch erst knapp neun Tage miteinander verheiratet waren.
Der Juni war noch nicht einmal vorbei.
Es gab also überhaupt keinen Grund für Amelia, nun das Risiko einzugehen, Luc vorzeitig zu einem Geständnis seiner Liebe zu zwingen.
Auf dem obersten Treppenabsatz angekommen, stieß sie laut und ganz bewusst ein kampfeslustiges »Hah!« aus. Ganz so, als ob sie Luc damit beschwören könnte, nun endlich den ersten Schritt zu wagen.
Doch sie würde sich wohl auch weiterhin gedulden müssen, musste auf ihrem einmal eingeschlagenen Weg bleiben und hartnäckig an ihrem Ziel festhalten.
»Aber ich bin doch schon dreiundzwanzig!«, schoss es ihr mit einem Mal durch den Kopf.
Entschieden drängte Amelia diesen beunruhigenden Gedanken wieder beiseite und marschierte mit festem Schritt jenen Korridor entlang, der geradewegs oberhalb des großen Schlafzimmers verlief.
»Mrs. Higgs, habt Ihr Ihre Ladyschaft gesehen?«
Geschäftig eilte die Haushälterin durch den Korridor, die Arme voll mit Stapeln frischer Leinentücher, zwei junge Hausmädchen ihr dicht auf den Fersen.
»Ich habe sie zuletzt unmittelbar nach dem Mittagessen gesehen, Mylord. Da hatte sie sich gerade in ihren Privatsalon zurückgezogen.«
In ihrem Salon war Amelia aber inzwischen nicht mehr. Luc hatte dort gerade
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